How To Dress Well – The Anteroom
Was ein „Quell“ der Inspiration: Nach der Kür Trumps zum US-Präsidenten hatte Tom Krell mit einer depressiven Episode zu kämpfen. Aus dem Sumpf herausgezogen, begann er mit den Arbeiten an einem, wie er es nennt, betont langsamen Avantgarde-Dance-Album. Als How To Dress Well wählt er „The Anteroom“ als perfekten Titel für das Unerwartete und Unvorhersehbare. Dieser Bereich kann großartig und wunderschön sein, aber auch furchteinflößend und brutal. So verwundert es kaum, dass sich diese gute 57 Minuten zwischen beiden Welten hin- und herbewegen.
Seine Songs lässt Krell mit Songfragmenten und Experimenten kollidieren, unterteilt in „Nonkilling“ und „False Skull“. Entsprechend komplex, zu gewissen Teilen sogar gefährlich, gestaltet sich diese Platte, weil sie immer unberechenbar bleibt. Man ziehe nur die für sich bereits herrausragende Video-Auskopplung „Nonkilling 6 | Hunger“ heran. Über ein Piano-Motiv und ein paar Spoken-Word-Samples tastet sich der Songwriter und Producer an den Track heran, führt mit seinem smoothen Gesang auf poppige RnB-Fährten, nimmt schließlich einen kompletten Bruch vor und lässt einen Beat Marke Totally Enormous Extinct Dinosaurs ertönen. Zum Ende hin wird es hingegen unerwartet schroff und beinahe technoid, das nächste Fragment hat bereits übernommen.
Entsprechend eng verwoben zeigen sich Hit-Verdächtigkeit und komplexe Experimentierfreude. „Brutal | False Skull 5“, dieses Kleinod mit Ocean Vuong, taucht tief in schräge Falsett-Gefilde ein und dreht schließlich die Chamber-Pop-Regler auf Noise. Und dann wird es für einige Momente krass, laut, betont unzugänglich. Nach einem weiteren Zwischenspiel setzt dann auch noch „Nothing“ ein, packt wüste Beats aus und hoppelt mit wachsender Begeisterung durch perfekte Ödnis – eine Erscheinung in grell und kaputt.
Komplett durchgehangen, wirr und letztlich komplett smooth zeigt sich auch das restliche Album: das herrlich harmonische „Body Fat“, die entfremdete Sinnsuche „A Memory, The Spinning Of A Body“, das blubbernde „Vacant Boat“. Letztlich entpuppt sich „The Anteroom“ als schwere Kost, aber eigentlich auch nicht. Der Verweigerungshaltung nah und doch schon wieder fast eingängig. How To Dress Well arbeiten mit Widersprüchen, während Tom Krell sein Seelenleben offenlegt – eine hochgradig faszinierende Grenzerfahrung mit stetig wachsendem Suchtfaktor und dezentem Anflug von Kopfschmerzen. Eben große Kunst im kleinen Rahmen.
The Anteroom
VÖ: 19.10.2018
Domino Records (GoodToGo)
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