Estrons – You Say I’m Too Much, I Say You’re Not Enough
Denglisch, diese grausame Verballhornung aus Deutsch und Englisch, von kollidierenden Sprachbarrieren begleitet, kennt man aus dem Alltag. Tatsächlich gibt es ein ähnliches Phänomen auch in Wales, wo ‚Wenglish‘ zu finden ist. Estrons ist ein solcher Begriff; heißt so viel wie „Fremde“, und passt eigentlich prima zum ersten Aufeinandertreffen von Talli Kallström und Rhodi Daniel – zwei Menschen mit grundverschiedenem Musikgeschmack und entsprechend unterschiedlichen Einflüssen. Und doch konnte man sich auf einen gemeinsam Sound einigen: kratzbürstig, gitarrenlastig, der Garage entsprungen. „You Say I’m Too Much, I Say You’re Not Enough“ ist der Titel des Estrons-Debüts.
Mittlerweile im Trio unterwegs, kollidieren herrlich viele verschiedene Sounds. Da lassen schon mal The Distillers grüßen, dann wieder Cage The Elephant. Ein „Body“ schielt in den Synth-Punk-Abgrund, nimmt ein paar poppige Harmonien und Kallströms angenehm rotzigen Gesang mit, nur um im Refrain die Muskeln spielen zu lassen – und das ist noch harmlos. Wie bissig Estrons tatsächlich klingen können, demonstriert der Opener „Lilac“ eindrucksvoll. Es riecht nach Chaos und Benzin, dann explodiert der Uptempo-Chorus gleich mehrfach und bleibt dabei doch stets eingängig.
Genau das scheint auch das Mantra der Band zu sein: bissig und doch stets mit Ohrwurm-Garantie. Powerfrau Kallström ist ganz klar Chefin im Ring, hinter den Texten stecken Kampf und Verletzlichkeit – als alleinerziehende Mutter hat sie unter anderem mit Sorgerechtsstreitigkeiten zu kämpfen. Entsprechend wichtig und unnachgiebig gestaltet sich die Hymne „Make A Man“, während die Lyrics zum angenehm launischen „Drop“ sogar hinter Gittern entstanden. Für „Jade“ nehmen sich Estrons ein wenig zurück, was sie sogar noch eine Spur gefährlicher macht – was ein Trip.
Schnell, viel zu schnell flattern diese gut 33 Minuten vorbei – eine große Platte, ein im besten Sinne launisches Stück Musik, eine Urgewalt mit Pop-Appeal. Estrons halten herrlich wenig von feiner Klinge und gehen mit ihren im besten Sinne kratzbürstigen Garage-Rockern doch stets ins Ohr, ganz ohne Umwege. „You Say I’m Too Much, I Say You’re Not Enough“ fasst den musikalischen Zwiespalt dieses Albums prima zusammen. Hits satt, unorthodoxe Präsentation und unheimlich leidenschaftliche Musiker stellen ein von vorne bis hinten kurzweiliges wie begeisterndes Debüt vor.
You Say I’m Too Much, I Say You’re Not Enough
VÖ: 19.10.2018
Gofod Records (AL!VE)
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