Otis Redding – Dock Of The Bay Sessions
Wie wäre Otis Reddings musikalische Karriere wohl weitergegangen, hätte er am 10. Dezember 1967 nicht diese verdammte Beechcraft H18 bestiegen? Bis heute spekulieren Fans über einen der größten Soul-Sänger aller Zeiten, und dabei tauchen immer wieder Überlegungen über jene Platte auf, an welcher er bis zu seinem Tod arbeitete. Die einzelnen Aufnahmen dieses unfertig gebliebenen Albums kennt man vielleicht schon von diversen Compilations, doch nun, 50 Jahre nachdem „(Sittin‘ On) The Dock Of The Bay“ zum posthumen Chart-Topper wurde, erscheinen erstmals alle Tracks in gebündelter Form auf „Dock Of The Bay Sessions“.
Zumindest den Opener kennt wohl so ziemlich jeder: „(Sittin‘ On) The Dock Of The Bay“ gibt das überaus entspannte Tempo vor und ist auch heute noch wahrhaft magisch. Dahinter spürt man Reddings Urgewalt immer wieder, obwohl einige der Aufnahmen Zeit seines Lebens unvollendet geblieben waren. Ein „Direct Me“ reißt in 140 Sekunden von den Sitzen. Von der locker angeschlagenen, leicht dissonanten Gitarre bis zum leidenschaftlichen Gesang stimmt an diesem Klassiker alles.
Bei einigen Songs bleibt fraglich, ob es diese jemals über B-Seiten-Status hinausgeschafft hätten. Beispielsweise hat „Pounds And Hundreds (Lbs + 100s)“ durchaus Schmiss, wirkt aber auch ein wenig ziellos. Die Ballade „I’ve Got Dreams To Remember“ schafft es selbst mit Reddings Stimme kaum über okayes Niveau hinaus. Mit dem verspielten „Black Elephant“, dem unwahrscheinlich lässigen „Gone Again“ und dem gleichermaßen schrägen wie einfühlsamen „The Happy Song (Dum-Dum)“ wird dieser Eindruck aber schnell gerade gerückt.
Revolutionäre Erkenntnisse darf man sich von „Dock Of The Bay Sessions“ eher nicht erwarten, aber das ist auch nicht Sinn und Zweck dieser Zusammenstellung. Stattdessen beantwortet sie eine der populärsten „Was wäre wenn“-Fragen im Soul-Geschäft. Nicht jeder Track trifft ins Schwarze, und doch lässt sich überall Reddings Genie erkennen, das in seinen großartigen, beseelten Songs weiterhilft. Zumindest Komplettisten sollten hier zugreifen, aber auch Fans von diesem einen großen Hit können hier prima weiterhören. Mit Otis Redding macht man so und so nie etwas verkehrt.
Dock Of The Bay Sessions
VÖ: 18.05.2018
Rhino (Warner Music)
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