Sinan Mercenk – Individuality
Sinan Mercenk als DJ- und House-Urgestein zu bezeichnen, wird der illustren Karriere des Electro-Produzenten bestenfalls rudimentär gerecht. Mitten in der ersten großen House-Welle veröffentlicht er 1994 seine erste Single, wird zum renommierten Remixer und gründet 2009 sogar sein eigenes Label. „Individuality“ ist tatsächlich erst Mercenks drittes Album, kommt dafür mit allerlei Prominenz zwischen House, Electronica und Deep House aus.
Zwischen Berlin und Istanbul entworfen und weitergedacht, tummeln sich 15 Songs auf diesem lässigen wie treibenden Release. Zu den bekanntesten Gästen zählt ohne Frage Pat Appleton. Die De-Phazz-Sängerin leiht dem butterweichen, jazzig-housigen „Liliths Lament“ ihre Stimme. Am anderen Ende des Albums schwingt Mercenk das Tanzbein. „You Didn’t Even Try?“ weist erfrischendes Latin-Feeling auf, von Club des Belugas-Sängerin Anne Schnell entsprechend in Szene gesetzt – sicherlich einer jener Tracks, bei denen man einfach nicht still sitzen kann.
Überwiegend instrumentale Einschübe, wie der spannungsaufbauende Opener „Never Sleep“ oder das pumpende „Fool Paradise“, lockern das Geschehen auf und verleihen den Vocal-Tracks zugleich mehr Nachdruck. Nikola Materne gibt sich auf „Creation“ ein feines, zuweilen frühlingshaftes Stelldichein, dessen beateske Untertöne durchaus gen Club entführen. An das schwerfällige „Misiona“ muss man sich zwar erst gewöhnen, dafür wartet im direkten Anschluss mit „On In A Million“ einer der Hits dieser Platte. Sir Chul-Min Yoo von Alice Francis drängt betont smooth gen Dancefloor.
Natürlich zündet nicht jeder Track sofort, bei einer Stunde Spielzeit aber auch keine wirkliche Überraschung. Sinan Mercenk lässt sich gelegentlich bitten, lehnt sich genüsslich zurück und lässt die Songs in Ruhe arbeiten. „Individuality“ entfaltet seine volle Strahlkraft in Raten, unwahrscheinlich leger, catchy und, in den richtigen Momenten, sogar ordentlich tanzbar. Von Routine oder gar Altersmilde ist hier nichts zu hören – der DJ und Produzent setzt stattdessen kleine Ausrufezeichen am laufenden Band.
Individuality
VÖ: 08.12.2017 (DL-Album)
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