Hey Ruin – Poly
Punktlandung mit rohem Biss: Hey Ruin debütierten im März 2016 gar erfolgreich mit „Irgendwas mit Dschungel“ und verpassten der deutschsprachigen No-Wave-Szene einen wichtigen Arschtritt. Nun möchte die Band aus Köln und Trier mehr. Mittlerweile zum Quintett angewachsen, öffnete man den Songwriting-Prozess für alle Musiker und verhandelte gerne auch schon mal über einzelne Wörter. Die Mühe lohnt sich: „Poly“ gibt sich auf allen Ebenen deutlich souveräner, erwachsener und bissiger.
Schnell zeigt sich: Hey Ruin haben ihren Sound zwischen Deutsch-Punk, Post-Hardcore und Emo-Ursuppe längst gefunden. Bereits der herrlich schroffe und doch einprägsame Opener „Ram“ bewegt sich geschickt zwischen diesen ungefähren Ankerpunkten und behandelt die nach wie vor aktuelle Flüchtlingssituation mit bissigen Assoziationen und pointierten Seitenhieben auf den allgegenwärtigen Social-Media-Stammisch-Habitus. Der folgende Titelsong, eine Brandrede für mehr Zusammenhalt, packt einen der eingängigsten Refrains dieser Platte aus. Kanten werden geglättet, Post-Emo-Harmonien durch luftige Gitarrenwände gedrückt.
In 35 knappen wie kraftvollen Minuten packt das Quintett so manche kleine Perle aus. „Cortextrouble“ verfolgt ebenfalls eingängigere Ideen, während das schroffe „Magneto“ mit invertiertem Mephistopheles-Zitat auf ruppigen Dissonanzen durch rauschende Blätterwälder reitet. Wieder eine Türe weiter erklärt „Miliz vor Ort“ die Zäsur zum Höchsten der Dinge, bevor dicke Riff-Konstrukte gen Grande Finale führen. Selbst die anfangs absurd wirkenden Film-Noir-Trompeten in „Über dem Abfluss“ ergeben Sinn und werten den angenehm stoischen Track letztlich deutlich auf.
Irgendwie anders und doch so vertraut: Hey Ruin erreichen Evolution durch milde Revolution und verdichten auf ihrem Debütalbum angedeutete Bestrebungen in neun neuen, durchwegs cleveren Songs. „Poly“ wirkt eine Spur eingängiger und direkter, lässt den ohnehin bereits guten Texten nun endlich ein wenig mehr Raum zum Atmen und wirkt als ein Ganzes deutlich intensiver, mitreißender. Schweres zweites Album? Diese 35 Minuten sind definitiv anderer Meinung.
Poly
VÖ: 24.11.2017
This Charming Man Records (Cargo Records)
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