Arcane Roots – Melancholia Hymns
Gäbe es Arcane Roots nicht bereits, man müsste sie erfinden. Das britische Trio tummelt sich im Spannungsfeld zwischen Alternative Rock, Post Rock, Electro-Prog-Pop und Post-Hardcore. Klingt kurios, ist es auch. Für ihr zweites Album haben sie sich ganz schön Zeit gelassen und bringen den ureigenen Sound mit dem Titel doch perfekt auf den Punkt: „Melancholia Hymns“, teils hymnische Eingängigkeit, teils Schwermut zwischen blubbernder Elektronik und manischen Riffsalven.
Gekonnte Widersprüche und mächtige Melodien säumen den Weg durch 54 komplexe wie radiofreundliche Minuten. Anders gesagt: Kontrast ist in diesen zehn Songs König. Wie komplex und doch unterhaltsam sich dieser Mix gestaltet, illustriert bereits der Opener „Before Me“ beängstigend perfekt. Arcane Roots bewegen sich zunächst in gefühlsechten Post-Rock-Gefilden, die entfernt an Sigur Rós erinnern, stürzen sich auf symphonisch befeuerte Electro-Pop-Klänge und packen schließlich verkappt wütende Gitarrensalven aus, bevor ein mächtiges Breakdown im Strings-Sumpf verebbt – kurios wie bewegend.
Es geht natürlich auch eine Spur linearer, wenn man denn so will. „Off The Floor“ wirkt wie eine Reise durch das Leprous’sche Schaffen – proggig und bärbeißig, dann wieder radiofreundlich und balladesk. „Matter“ zählt sicherlich zu den härtesten Tracks dieser Platte und zeigt stellenweise, wohin die Reise für Muse hätte hingegen können (und vielleicht sogar sollen). An diesem Monster-Riff beißt man sich die Zähne aus. „Everything (All At Once)“, so etwas wie der kleine Bruder dieses hymnisch-lauten Bastards, ergeht sich in wütende Drum-Attacken und lässt jene Art von Aufbruchsstimmung erkennen, die „Curtains“ vom Piano-Song zu Hardcore-Screams, „Half The World“ zur sympathisch kitschigen Prog-Pop-Hymne und „Arp“ zum halb elektronischen, halb abgefuckten Exkurs durch zerschundene Seelen trägt.
Schwieriges Album? Das wäre wohl ein Understatement, zumal man sich dieses Mal mehr denn je in den Sound von Arcane Roots einarbeiten bzw. -hören muss. „Melancholia Hymns“ treibt den wahnwitzigen Genre-Spagat der Briten auf die Spitze und droht stellenweise im Kitsch-Bombast unterzugehen, kriegt allerdings immer wieder die Kurve zum brachialen Nackenschlag oder unwiderstehlichen Ohrwurm – oft sogar beides in einem Song. Wer die nötige Geduld mitbringt, erlebt hier ein kleines Wunderwerk für gute Kopfhörer.
Melancholia Hymns
VÖ: 15.09.2017
Easy Life / Cooking Vinyl (Sony Music)
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