Millionaire – Sciencing
In den späten 90er Jahren und frühen 2000ern war Tim Vanhamel das Poster Child der belgischen Rockszene. Evil Superstars, dEUS, Millionaire und ein Abstecher über den großen Teich zu den Eagles Of Death Metal standen auf dem Programm. Im letzten Jahrzehnt tendierte sein Output, abgesehen von einer Solo-Platte und ein paar Gastauftritten, jedoch gegen Null. Zwölf Jahre nach „Paradisiac“ reaktiviert er nun Millionaire. Das neue, dritte Studioalbum „Sciencing“ nahm er binnen zwei Monaten in Costa Rica auf. Vanhamels Showcase-Projekt zeigt sich zugleich von vertrauter und neuer Seite.
Der Opener „I’m Not Who You Think You Are“ bewegt sich noch in vergleichsweise vertrauten Gefilden, zeigt sich verkopft, fies und angriffslustig. Vanhamel verschleppt das Tempo geschickt, entlädt Stoner- und Psych-Weisheiten neben bissigem Anti-Pop-Appeal und schneidert einen herrlich kaputten Fünfminüter, der wie ein QOTSA-Remix eines Gorillaz-Songs klingt. Bei derlei düsteren Befindlichkeiten bleibt es allerdings nicht. Spätestens bei „Love Has Eyes“ hebt der Belgier mehr und mehr ab. Indie Pop/Rock, Alternative-Weisheiten, elektronisch behafteter Funk und zig weitere Einflüsse machen auf kuriose Weise Laune.
In weiterer Folge ergibt sich eine solide Mischung aus pointierten Spitzen und etwas anstrengendem Füllmaterial. „L’Homme Sans Corps“ mag als Chanson-Antithese zwar Charme haben, langweilt mit seinen Dream-Pop-Ansätzen jedoch ebenso wie das ziellose „Black In You“. Dann doch lieber „Silent River“, das balladeske Duett mit Clara Klein, der wilde Funk-Rocker „Busy Man“ oder das herrlich endlose „Little Boy Blue“ mit Psych-Understatement und mörderischen Endlosschleifen.
Letzten Endes verliert sich Tim Vanhamel etwas zu oft in seinem Hang zu exaltiertem Genreclash. 62 Minuten sind natürlich auch ein wenig viel geworden, zumal manch ein Track bestenfalls als B-Seite geeignet ist, und doch hat „Sciencing“ genug Qualität, um zumindest in Teilen hängenzubleiben. Ob funky oder fies, Millionaire machen immer noch Laune. Gerade die etwas wildere, beinahe euphorische Seite bekommt der Band gut. Auch wenn sich hier und da ein paar Hänger eingeschlichen haben, möchte man doch – möglichst bald – wieder mehr von Vanhamel hören.
Sciencing
VÖ: 19.05.2017
Unday Records (Rough Trade)
Millionaire @ Home | @ Facebook
„Sciencing“ @ Amazon kaufen