Joe Goddard – Electric Lines
Wenn er nicht gerade mit Hot Chip durch die Welt tourt, verdingt sich Joe Goddard vornehmlich als Produzent und Remixer mit seinem Kellerstudio in Shoreditch als abgeschottete Homebase. Nach diversen Kleinformaten erscheint nun sein erst zweites Soloalbum – und der Erstling „Harvest Festival“ hat bereits acht Jahre auf dem Buckel. Umgeben von jungen Talenten und alten Bekannten, stürzt sich der Brite nun auf verträumte und pumpende Techno- und House-Weisheiten unter dem Banner „Electric Lines“.
Freilich, das sollte vorausgeschickt werden, sind Techno und House nur ungefähre Anhaltspunkte für diese bunte wie abwechslungsreiche Platte, die durch gefühlte drölfzig Genres führt. Der verspielte, entspannte und doch treibende Titeltrack erklärt WIP (work in progress) zum höchsten der Gefühle und wertet die Klangreise an sich als größtes Abenteuer. Dass sich ausgerechnet hier Hot Chip-Stimme Alexis Taylor ein kleines Stelldichein gibt, passt ins Bild, zumal das folgende „Music Is The Answer“ als clubbiger Vorbote ein wenig gen Pop schielt und doch tief in hypnotisierenden, synthetischen Gefilden verankert bleibt.
Hier ist übrigens die Stimme von Jess Mills aka SLO zu hören, die auch beim deutlich lebhafteren, nicht minder eingängigen Opener „Ordinary Madness“ mitwirkt. Für das pumpende „Home“, eine Deep-House-Hommage an die Anfänge des Subgenres, lädt sich Goddard den jungen Amerikaner Daniel Wilson ins Studio ein. Zwischen Disco-Power und beateskem Charme entsteht hier einer der besten Tracks der Platte. Zwischendurch streift der Produzent noch ein wenig UK-Garage („Truth Is Light“ repräsentiert die balladeskere Seite des Genres) und stürzt sich sogar auf elektronisch befeuerten Soul („Lose Your Love“ blubbert nett, wohl aber belanglos vor sich hin).
Mehrere, teils unüberblickbar viele Welten kollidieren auf „Electric Lines“ und lassen den sprichwörtlichen roten Faden ein klein wenig vermissen. Joe Goddards zweites Produzenten-Album mutet eher wie eine bunt durchgemischte, nicht minder unterhaltsame Compilation auf, die dafür immerhin kaum Füllmaterial zu bieten hat. Dafür lassen sich an allen Ecken und Enden neue Facetten eines vertrauten Sounds entdecken. Tanzbar, begeisternd, mitreißend und doch herrlich entspannt – auch abseits seiner Hauptband steht Goddard für spannende Produktionen mit dezentem Alternative-Retro-Charme.
Electric Lines
VÖ: 21.04.2017
Domino Records (GoodToGo)
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