Austra – Future Politics

Austra

Nach einem halben Jahrzehnt ohne festen Wohnsitz, das Katie Stelmanis fast durchgehend auf Tour verbrachte, ließ sich die Kanadierin in Montreal nieder, um sich mit verschiedenen Formen von Einsamkeit und Isolation auseinanderzusetzen und der illustren Karriere der Kritikerlieblinge Austra ein neues Kapitel hinzuzufügen. Spätestens mit dem Umzug nach Mexiko-Stadt fand Stelmanis die radikale Dimension von Musik und Text wieder, trommelte die Band zusammen, und nahm das wuchtige, avantgardistisch-zerstörerische „Future Politics“ auf.

Gelegentlich zieht, nein, zerrt das gegenwärtige Klangverständnis direkt auf den Dancefloor. Die erste Single „Utopia“ geht überraschend direkt nach vorne und lebt, wie sollte es auch anders sein, von Stelmanis‘ faszinierender, vielschichtiger Stimme. Unterstützt von butterweichen, durchaus verspielten Synths, wirbelt sie durch unwiderstehliche Pop-Welten und bleibt dabei doch stets bissig. Hinter dem so wunderschönen wie klirrend kalten Opener „We Were Alive“ steckt der flammende Aufruf, endlich die eigene Apathie zu überwinden.

Evolution versus physische Bedrohung: „Freepower“ wird zur synthetischen Sinnsuche zwischen zwei Welten, kann sich aber auch musikalisch nicht so recht festlegen und hinkt ein wenig hinterher. Im berührenden, minimalistischen Finale „43“ geben Austra den Müttern jener Studenten, die 2014 in der mexikanischen Stadt Iguala entführt und ermordet wurden, eine Stimme. Und dann ist da noch „Future Politics“, der alles überstrahlende Titelsong. Wuchtige Beats, gekonntes Understatement, schillernde Vocals, eindringlicher Refrain – vier lebhafte Minuten für die Ewigkeit.

Bei Austra brodelt es, und zwar nicht nur unter der Oberfläche. „Future Politics“ knüpft locker an die ohnehin bereits bärenstarken Vorgänger der Kanadier an, auch wenn der Mittelteil kleinere Durchhänger offenbart. Schwamm drüber, eine nach wie vor kämpferische Stelmanis und faszinierende Soundscapes zwischen puristisch-minimalistischem Avantgardismus und brodelndem Dancefloor-Rundumschlag gehen im besten Sinne an die Substanz. 45 aufwühlende Minuten mit konstant steigendem Suchtfaktor.

Austra - Future Politics

Future Politics
VÖ: 20.01.2017
Domino Records (GoodToGo)

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