Travis – Everything At Once
Die Urväter der britischen Glum-Pop-Welle sind wieder da. Ohne Travis gäbe es wohl kein Coldplay und auch kein Keane. Die Schotten um Wahl-Berliner Fran Healy hatten zwar vergleichsweise weniger Mainstream-Präsenz in den vergangenen Jahren, erreichten dennoch mit ihrem letzten Album „Where You Stand“ 2013 die zweithöchste Chart-Platzierung ihrer Karriere in Deutschland. Auch knapp zwei Jahrzehnte nach Veröffentlichung ihres Debüts darf man das Quartett nicht abschreiben. „Everything At Once“ liefert zehn weitere gute Gründe dafür.
Dieses Mal verleiht die sprichwörtliche Kürze die nötige Würze und so spielen sich die meisten Tracks rund um die Drei-Minuten-Marke ab. Pointierte Radiofreundlichkeit und Schlichtheit – mit einfachen Mitteln geht es dieses Mal gen Erfolg. Einer der Vorboten ist das mit einem kunterbunten Clip gesegnete „Magnificent Time“. Fröhlicher Bop, überschäumender Optimismus, Country-Gitarren im Hintergrund und Mitschunkel-Refrain – was sich ein wenig ätzend liest, zaubert binnen Sekunden ein glückliches Lächeln auf die Lippen.
Natürlich ist die typische Travis-Melancholie auch dieses Mal an Bord – siehe und höre beispielsweise das butterweiche „3 Miles High“ oder die großartige Kollaboration mit Josephine Oniyama, „Idlewild“ – jenseits der selbstgesetzten zeitlichen Grenze und doch so charmant. Der schräge, mit Synthis und Symphonie befeuerte Kammerpopsong „Animals“ ist mindestens so charmant wie der archetypische Opener „What Will Come“, der schon vor zehn bis 15 Jahren funktioniert hätte. Selbst der etwas experimentelle Titeltrack mit kurzem Elektronik-Einsatz und Power-Pop/Rock-Chorus funktioniert, weil Charme, Herzblut, Cleverness hinter diesem Unterfangen stecken.
Auch auf „Everything At Once“ entwickeln sich Travis zaghaft weiter und verleihen ihrem Sound zusätzliche Tiefe. Stillstand ist zwischen Deutschland und Schottland auch nach zwei Dekaden nicht angesagt. Gleichzeitig wirken die Songs auf angenehme Weise vertraut – als ob man einen alten Bekannten nach längerer Zeit wieder trifft. Mit diesen zehn durch die Bank charmanten und eingängigen Songs kann man nichts falsch machen.
Everything At Once
VÖ: 29.04.2016
Red Telephone Box / Caroline (Universal Music)
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