Drangsal – Harieschaim
Max Gruber wollte immer schon anders als andere sein. Mixtapes, MTV und Marilyn Mansons „The Dope Show“ als Früherziehung, lackierte Fingernägel als Jugendlicher auf einer Landschule – ein Charakter, wenn man so will. Später geriet er an Produzent Markus Ganter, freundete sich mit Sizarr und Casper an. Gruber ist mittlerweile Anfang 20 und veröffentlicht unter dem Künstlernamen Drangsal „Harieschaim“, sein Debütalbum mit deutlichem Faible für 80s-Pop, Industrial und Post Punk.
Ein klein wenig Hype um Drangsal war in den letzten Wochen und Monaten durchaus wahrnehmbar. Von einem der interessantesten Newcomer des Jahres wurde berichtet – und das geht durchaus in Ordnung. Die Mischung aus kleinen, leicht düsteren Pop-Perlen und finsterer Alternative-Ästhetik funktioniert vom ersten bis zum letzten Track. Da wäre beispielsweise „Allan Align“, der bereits bekannte Opener mit herrlich blubberndem Instrumental, kondensiertem Schwermut und gleichermaßen emotionalen wie fordernden Vocals. Ein Hauch von Kesä, über weite Strecken Grubers finnische Brüder im Geiste, liegt über diesen drei Minuten.
Die Kunst an „Harieschaim“ ist der erfolgreiche musikalische Balanceakt. Bei so manchem Kollegen würde „Do The Dominance“ schmierig klingen, doch hier verleiht der angedeutete Griff in den Kitschtopf dem Track zusätzlichen Charme. Wenn Drangsal Gitarren einsetzt, reichen die Referenzen von Bloc Party bis zu den Urvätern Gang Of Four und Bauhaus. „Schutter“ und „Der Ingrimm“ sind mindestens so Post wie Punk und bleiben ebenso hängen wie das radiotaugliche „Love Me Or Leave Me Alone“, das in einer besseren Welt Hurts aus der Format-Rotation verbannen würde. Was (The) Brian Kendrick vom experimentellen Fragment „Sliced Bread #2“ hält, ist leider nicht überliefert.
Ob Hype oder nicht Hype, „Harieschaim“ hat sich jede Form von Aufmerksamkeit verdient. In effektiver Kürze von etwas über einer halben Stunde Spielzeit tankt sich Gruber durch sämtliche Abgründe einer bewegten Epoche, aus der er Ohrwürmer und Störsignale herausliest und mit der Präzision eines Kajal-Chirurgen ins weite Rund feuert. Kurz, prägnant und auf den Punkt – der erste Schritt in Richtung Meisterprüfung ist getan.
Harieschaim
VÖ: 22.04.2016
Caroline International (Universal Music)
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