Library Voices – Lovish
Die letzten Jahre der kanadischen Indie-Hoffnungsträger Library Voices als ereignisreich zu bezeichnen, wäre untertrieben. Nach ausgiebigen Tour-Aktivitäten und ganz speziellen Erfahrungen mit Ratten stand eine neue Platte aber lange Zeit auf der Kippe. Sänger und Gitarrist Carl Johnson wurde brutal zusammengeschlagen und steckt noch mittem im Genesungsprozess, bedingt durch Hirnblutungen und Schädel-Hirn-Trauma. Dennoch hat er es sich nicht nehmen lassen, gleich sieben Songs zu „Lovish“ beizusteuern, das noch eine Spur poppiger, psychedelischer und größer ausgefallen ist.
Bei einigen Tracks übernahm Bandkollege Brennan Ross den Gesang, darunter die beiden ersten, vielleicht besten Songs des neuen Albums. „Oh Donna (The Funeral Of Youth)“ entpuppt sich als herausragender Opener und grandiose Single. Das verschleppte Tempo im Übergang von Strophe zu Refrain verleiht dem Chorus einen leicht psychedelischen, gewohnt poppigen Anstrich, erinnert in seiner sonnigen Präsentation an den Zwiespalt der Drums. Nicht minder großartig: „Sunburnt In LA“, eine Art Wave-Pop-Ausflug mit großen Gefühlen und Durchhalteparolen, die Zusammenhalt zu beschwören scheinen.
Mit fortlaufender Spieldauer wird das Album noch bunter und abwechslungsreicher. „Hey! Adrienne“ packt die Orgel aus und paart sie mit forschem Alternative Rock sowie butterweichen Backings, während „Bored In Berlin“ zur überraschenden Uptempo-Schlacht mit dezenten Querverweisen auf den Black Rebel Motorcycle Club mutiert. Unkonventionelle Energie liegt dem Quintett immer noch am besten – höre unter anderem den Lauschangriff „Zzyzx“ mit Saxophon oder das euphorische, erhebende „Fangs Of Love“ mit lässiger Gitarre und verschmitztem Lächeln.
Johnson lässt sich nicht ins Bockshorn jagen und wird von seiner Band mit ordentlich Wucht unterstützt. „Lovish“ ist eine große Platte mit kleinen Songperlen und eindringlichen Melodien. US-College-Rock trifft auf die gesamte Indie-Palette und eine feine Retro-Portion Psychedelic Pop – vielleicht nicht neu, wohl aber effektiv. Wenn Brennan Ross ans Mikrofon tritt, wird es noch dazu unverschämt eingängig. Kurzum: spannende, Ohrwurm-taugliche Unterhaltung eines Quintetts, das stetig zu wachsen scheint. Die Möglichkeiten für Library Voices scheinen unendlich zu sein.
Lovish
VÖ: 06.11.2015
Nevado Music (Rough Trade)
Library Voices @ Home | @ Facebook
„Lovish“ @ Amazon kaufen