Eivør – Slør
Eivør ist 2015 besonders fleißig. Vor knapp acht Monaten erschien erst ihr englischsprachiges Album „Bridges“, nun macht sich die bezaubernde Sängerin von den Färöer Inseln ihre Landessprache musikalisch zu eigen. Was genau „Slør“ oder irgendeiner der Songtitel übersetzt genau heißt, ist im Prinzip unerheblich. Die Universalsprache ist Musik, und das in diesem Fall deutlich rauer, sich der Fernsucht hingebend.
Zwar geschah der Songwritingprozess zu „Bridges“ und „Slør“ beinahe gleichzeitig – Eivør spricht von einer Art Spiegelbild – aber trotz Quasi-Schwestern-Alben handelt es sich dennoch um zwei voneinander getrennte Werke. Die Färingerin deckt in 40 kurzweiligen Minuten, so heißt es im Begleittext, Trennungen, Fernsucht und die Suche nach Frieden ab. Tatsächlich wirkt die Hauptdarstellerin wie eine Suchende, lässt sich in „Brotin“ von butterweichen, beinahe feenhaften Klängen und einer stoischen Gitarre – Mirwais lässt grüßen – weit weg tragen.
Wie schnell die Stimmung umschlagen kann, zeigt sich gen Album-Mitte. Zunächst deutet das fordernde „Røttu Skógvarnir“ einen waschechten Pop-Refrain an – freilich mit typischen Eivør’schen Widerhäkchen und einem Hauch gewohnter Weirdness -, dann wird „Í Tokuni“ im direkten Anschluss zur beschwörenden Zerreißprobe, sehr gleichförmig und schroff, vielleicht gerade deswegen so schön. Vom versöhnlichen Opener „Silvitni“ bis zum fragilen, von Loops durchzogenen Titeltrack sind es gleichzeitig Welten und nur wenige Schritte.
Düster, schroff, ein wenig missmutig und dabei doch immer wieder angenehm eingängig: „Slør“ nimmt alles mit, lässt den Blick in die Ferne schweifen und macht die charmante Eivør zur Suchenden zwischen den Welten. Zwei richtig gute, eigentümliche Pop-Platten innerhalb eines Jahres, das wäre wohl nicht vielen gelungen. Gespickt mit Überraschungen, einem Hauch von Björk und geradezu feenhaftem Auftreten, macht die sträflich unbeachtete Sensation aus dem hohen Norden abermals verdammt viel richtig.
Slør
VÖ: 16.10.2015
Tutl (Cargo Records)
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