Young Fathers – White Men Are Black Men Too
Und plötzlich waren Young Fathers Mercury Prize-Gewinner. Nicht etwa Damon Albarn, nicht der Bombay Bicycle Club, nicht Anna Calvi, sondern das unkonventionelle HipHop-Trio aus Schottland, für das Rap nur ein ungefährer Anhaltspunkt ist. Verstecken wollen sie sich vor ihrem Erfolg nicht, ganz im Gegenteil: Die Arbeiten an „White Men Are Black Men Too“ fanden halböffentlich an unterschiedlichen Locations statt. Der eifrig diskutierte Titel ist aber bestenfalls auf den ersten Blick ein Aufreger.
Was sich hier auf zwölf Songs über knapp 40 Minuten abspielt, ist kreativer als der gesamte Backkatalog wesentlich prominenterer Kollegen. Schon auf dem preisgekrönten „Dead“ war HipHop bestenfalls eine Behelfsfloskel, auf „White Men Are Black Men Too“ brechen Young Fathers endgültig aus diesem Korsett aus und ließen nicht umsonst „file under rock and pop“ auf die Platte kleben. Klingt unwirklich? Dann am besten „Nest“ anhören, den beseelten, durchaus tanzbaren Hit mit Soul-Pop-Schwung und kritischem Text über Nestlés unethisches Marketing in Afrika Anfang der 70er Jahre. Dass prompt jene Firma den Track in einer Werbekampagne verwenden wollte, passt ins Bild.
Auch sonst nehmen Young Fathers kein Blatt vor den Mund und jonglieren dabei ebenso mit Genres und Sounds. „Old Rock N Roll“, dessen Lyrics den Albumtitel abwerfen, vermengt Missy Elliott-Sound mit IDM-Bounce, die Video-Auskopplung „Shame“ rast, getragen von hohl aufprallenden Beats und hektischer Melodieführung, gegen die Post-Pop-Wand. Vielleicht ist „Indie“ eine von vielen Überschriften für eine Platte, die sich in keine Schublade packen lässt und gerade deswegen überzeugt. Dass es dabei nie peinlich wird, verdanken die Schotten ihrer Stilsicherheit. Selbst „John Doe“, das in falschen Händen zu einem Chiddy Bang-Gedächtstrack hätte werden können, trägt seine unterschwelligen 8-Bit-Weisheiten gen alten RnB und wird zum Geheimfavoriten.
Nein, am zweiten regulären Young Fathers-Album gibt es bestenfalls Details zu bemängeln, die aber nicht ins Gewicht fallen; zu stark ist der Gesamteindruck, das unverrückbare Gefühl, der für Rap untypische und für die Schotten umso typischere Flow. „White Men Are Black Men Too“ kann alleine aufgrund seiner musikalischen Qualitäten geschätzt werden. Nimmt man noch die hochkritischen, bissigen Texte hinzu, wird klar, dass der Mercury Prize beileibe keine Eintagsfliege bleiben dürfte.
White Men Are Black Men Too
VÖ: 03.04.2015
Big Dada / Ninja Tune (Rough Trade)
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