Dutch Uncles – O Shudder
Die richtige musikalische Schublade für die britischen Indie-Popper Dutch Uncles zu finden, ist gar nicht so einfach, wenn man sich eben nicht ausschließlich auf Allgemeinposten wie Indie-Pop beschränken möchte. Manche sprechen von Math Rock, andere von Prog Pop und wieder andere von Art Rock. Recht haben wohl alle ein bisschen, wenn man das bisherige Œuvre des Quintetts aus Marple mal genauer betrachtet. So lassen sich in ihrer Musik Einflüsse von den Talking Heads über XTC bis hin zu King Crimson finden. Noch komplizierter wird die Einordnung allerdings, wenn man auch noch ihr neuestes, nunmehr viertes Album mit einbezieht, denn die Band um Sänger Duncan Wallis scheint sich neuerdings eine intensive Vorliebe für New Wave-Musik angeeignet zu haben. Ein genauerer Blick auf „O Shudder“ sollte somit einige Überraschungen bereithalten.
Die Vielseitigkeit der Dutch Uncles zeigt sich oft sogar innerhalb eines Songs. So hält der entspannt groovende Opener „Babymaking“ nicht nur starke New Wave- und Synthie-Einflüsse bereit, sondern schielt andererseits auch deutlich in die Indie-Pop-Richtung. Deutlich flotter setzt der nächste Song „Upsilon“ mit seinen beinahe schon minimalelektronischen Strophen ganz andere Akzente, während einen der wunderbare Refrain mit seinen New Wave-Anleihen auf eine spannende Reise zurück in die 80er Jahre mitnimmt. Fans der „alten“ Dutch Uncles werden sich über das sperrige „Drips“ freuen, das mit jeder Pore den Geist des Math Rock atmet, ehe „Decided Knowledge“ schon wieder deutlich poppiger bzw. waviger daherkommt.
Auch im Anschluss bleibt das Album abwechslungsreich, wenn etwa auf einen klassischen Prog-Song wie „I Should Have Read“ die für Dutch Uncles-Verhältnisse unglaublich kommerzielle Vorab-Single „In N Out“ folgt. Balladeskes findet sich mit „Given Thing“ ebenfalls auf „O Shudder“ – wobei der Song doch recht progressiv gehalten und daher von klassischem Soft Rock-Kitsch meilenweit entfernt ist. Zu den Highlights des Albums darf man darüber hinaus „Don’t Sit Back (Frankie Said)“ rechnen, wo die Dutch Uncles die Grenzen zwischen New Wave, Math Rock und Prog endgültig einreißen, während das dröge „Accelerate“ zusammen mit der etwas wirren Prog-Ballade „Tidal Weight“ den Tiefpunkt der Scheibe markiert. Kurz vor Ende kriegen die Dutch Uncles aber noch mal die Kurve und lassen das Album mit dem gelungenen Synthie-Popsong „Be Right Back“ ganz entspannt ausklingen.
Insgesamt ist „O Shudder“ ganz klar als Weiterentwicklung zu deklarieren. Die deutlichen New Wave-Einflüsse fügen sich wunderbar in den Sound der Band ein ohne eine zu dominante Rolle zu spielen. Trotz aller Änderungen ist nämlich auch das neue Album zu 100 % als Dutch Uncles-Album auszumachen, der Markenkern wurde somit nicht vernachlässigt. Die wenigen schwachen Songs auf „O Shudder“ ziehen den Durchschnitt zwar etwas nach unten, können aber nicht verhindern, dass die Dutch Uncles ein musikalisches Highlight geschaffen haben, das sowohl New Wave- als auch Prog/Math Rock-Fans ansprechen sollte. Die Band hat die Stile hier auf eine derart überzeugende Weise zusammengeführt, dass man sich fragt, warum nicht schon eher jemand auf diese Idee gekommen ist. Schade nur, dass man die Band in Deutschland in absehbarer Zeit nicht live begutachten kann, da sich sämtliche geplante Tourtermine ausschließlich auf Großbritannien beschränken.
O Shudder
VÖ: 27.02.2015
Memphis Industries (Indigo)
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