Angra – Secret Garden
Metal aus Brasilien? Gleich nach den Thrashern von Sepultura wird dem Szene-Kenner vermutlich das Power Metal-Quintett Angra in den Sinn kommen. Immerhin existiert die Band bereits seit 1991 und hat seitdem sieben Alben veröffentlicht, darunter mit „Holy Land“ (1996) und „Temple Of Shadows“ (2004) zwei großartige Klassiker – ersteres noch mit Sänger André Matos, zweiteres bereits mit dessen Nachfolger Eduardo Falaschi. Dieser hat der Band nach dem etwas schwachbrüstigen letzten Album „Aqua“ (2010) nun ebenfalls den Rücken gekehrt und wurde durch eine echte Szenegröße ersetzt. Niemand Geringeres als das Rhapsody Of Fire-Goldkehlchen Fabio Lione, ursprünglich nur als Zwischenlösung angedacht, übernimmt die Rolle des Sängers auf dem neuen Album „Secret Garden“. Nachdem die Formel „neuer Sänger – neues Glück“ bereits einmal aufging, stellt sich natürlich auch die Frage, ob der Band nun der dritte Meilenstein ihrer Geschichte gelingen wird.
Opulent beginnt die Scheibe mit der Midtempo-Hymne „Newborn Me“, die alle Zutaten mitbringt, die einen guten Angra-Song ausmachen – epische Songstrukturen und dezente Anklänge an die brasilianische Folklore inklusive. Der zweite Song „Black Hearted Soul“ bietet dagegen Vollgas pur – auch diese Facette kennen Angra-Fans bereits von früheren Werken. „Final Light“ lässt mit seinen folkloristischen Trommeleinsätzen wiederum sofort vertraute Stimmung aufkommen. Auch die beiden Balladen „Storm Of Emotions“ und „Silent Call“ sind klassische Angra-Songs, die – Sängerwechsel hin oder her – auch auf einer der älteren Scheiben eine gute Figur abgeben würden.
Dennoch ist „Secret Garden“ gerade kein Nummer Sicher-Album, was sich besonders im hinteren, deutlich experimentelleren Teil der Scheibe offenbart. Beim fünften Song „Synchronicity II“ handelt es sich so z.B. um eine gewagte, aber nichtsdestotrotz gelungene The Police-Coverversion, während der Titelsong „Secret Garden“ mit Gastsängerin Simone Simons von Epica trotz gewohnt guter Gesangsleistung leider zu sehr nach ihrer Hauptband klingt und das typische Angra-Flair etwas vermissen lässt. Überzeugen kann dagegen Doro Peschs Gastbeitrag bei „Crushing Room“, wo sie sich gesanglich überraschenderweise nicht mit Fabio Lione, sondern mit Angra-Gitarrist Rafael Bittencourt duelliert. Auch das mit doomigen Riffs eingeleitete, recht düstere „Violet Skies“ zählt zu den gelungenen Experimenten des Albums, während die modernen Keyboard-Klänge der sperrigen Midtempo-Nummer „Upper Levels“ eher unpassend daherkommen.
Insgesamt stellt „Secret Garden“ eine deutliche Steigerung zu den Vorgängern „Aqua“ und „Aurora Consurgens“ dar. Die meisten Experimente sind gelungen, es finden sich andererseits auch genügend vertraute Elemente auf dem Album, wobei die besondere folkloristische Note dieses Mal leider nur im ersten Drittel des Albums zum Tragen kommt. Fabio Liones herausragendes Gesangsorgan fügt sich zudem wunderbar in den Gesamtsound ein. Auch der neue Schlagzeuger Bruno Valverde, der den ausgestiegenen Ricardo Confessori ersetzt, weiß zu überzeugen. Zu guter Letzt ist auf der Habenseite auch noch das geschmackvolle Cover, entworfen von Rodrigo Bastos Didier, zu verbuchen. Dass die neue Scheibe trotzdem nicht ganz an vergangene Großtaten wie „Temple Of Shadows“ heranreicht, liegt letztlich nur daran, dass ein, zwei Experimente eben doch nicht so zünden wie gewünscht. Somit ist „Secret Garden“ dann noch „nur“ ein sehr gutes Album, das nicht nur den Fans der Band, sondern generell jedem Liebhaber melodischer Power Metal-Klänge empfohlen werden kann.
Secret Garden
VÖ: 16.01.2015
earMUSIC (Edel Music Distribution)
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