Marlon Roudette – Electric Soul
Sich von seiner erfolgreichen Band zu trennen und auf Solopfaden zu wandeln, stellt nicht nur für Ex-Boy- oder Girlgroup-Mitglieder ein oftmals risikoreiches Unterfangen dar. Auch Marlon Roudette, der 2005 als Mitbegründer des Duos Mattafix mit dem Hit „Big City Life“ die Musikwelt im Sturm eroberte, wagte im Jahr 2011 den Schritt in die Selbstständigkeit. Das Ergebnis ist bekannt: Platz 1 in Deutschland für die Debütsingle „New Age“ und ebenso hohe Chartplatzierungen in weiteren europäischen Ländern; auch das Album mit dem bezeichnenden Titel „Matter Fixed“ schaffte den Sprung in die Top 10. Fast exakt auf den Tag genau drei Jahre später versucht der Stiefsohn der schwedischen HipHop-Künstlerin Neneh Cherry, die ihrerseits zusammen mit Youssou N’Dour und „7 Seconds“ 1994 einen Welthit hatte, an ebenjenen Erfolg anzuknüpfen. Der Nachfolger „Electric Soul“ jedenfalls geht mit hohen Erwartungen ins Rennen.
Die im Titel enthaltene Marschrichtung wird direkt beim Opener „America“ deutlich: Düstere elektronische Klänge, gepaart mit hintergründigen Synths und Marlons unverwechselbarer Stimmfarbe, kennzeichnen den Großteil des Albums. Der Singer/Songwriter verzichtet bewusst auf zu eingängige Melodien und nimmt den Hörer mit auf eine einzigartige Reise in seine innere Gefühlswelt, wie sie etwa in den Songs „Runaround“ und besonders im balladesken „In Luck“ zum Ausdruck kommt. Thematisch geht es hier darum, für andere Menschen da zu sein und sich selbst auch einmal zurückzunehmen. Im Gegensatz zu Roudettes Erstlingswerk, das sich stilistisch sehr mit der frischen Trennung von seiner Langzeitfreundin beschäftigte, verbreitet „Electric Soul“ eine Art Aufbruchstimmung ohne gleichzeitig vor Euphorie und Lebensfreude zu sprühen (gut erkennbar am treibenden „Come Along“).
Noch eine Spur experimenteller kommt der von taktgebenden Drums und Shouts inspirierte Midtempo-Song „These Three Hearts“ daher, der den Namen des Longplayers ebenfalls eins zu eins widerspiegelt: Samtweicher RnB im Refrain, zeitgenössische Electro-Beats in den Strophen. Gerade in diesem Stück wird die Kombination seiner breitgefächerten musikalischen Einflüsse wie Sade, Massive Attack, Talib Kweli oder Dennis Brown am besten exponiert. Doch auch für poppigere und mainstreamtauglichere Momente hat sich der versierte Künstler Zeit genommen. Vor allem die gleichsam verträumten wie nachdenklich stimmenden Titel „Your Only Love“ und „Flicker“ sowie das sinnlich angehauchte „Body Language“ mit 80er-Jahre-Anleihen sind hier zu nennen. Und ganz nebenbei schickt er mit der von Steel Drums begleiteten ersten Singleauskopplung „When The Beat Drops Out“ (bereits sein zweiter Nr. 1-Hit) im Karibik-Stil und dem sommerlichen Reggae-Rausschmeißer „Nice Things“ gleich zwei potenzielle Sommerhit-Kandidaten ins Rennen – wenn auch leicht verspätet.
Nachdem Marlon Roudette bereits das Abenteuer Solotrip mehr als souverän überstanden hat, darf man ebenfalls zur Mammutaufgabe „Verflixtes zweites Album“ konstatieren: Mission erfolgreich! Der Brite bleibt seiner Linie treu und packt in jeden einzelnen Track eine eigene Geschichte aus seinem Leben, die das Gesamtwerk „Electric Soul“ damit nicht nur authentisch, sondern auch in jeder Hinsicht sympathisch macht. Im Einheitsbrei von eingängigen Synthetik-Produktionen mit Mitpfeifpflicht wirkt es wie ein wohltuender Farbklecks, der nicht nur die Ohren und das Herz, sondern in besonderem Maße auch das Hirn anspricht. Diese Tatsache wird unter anderem dafür verantwortlich sein, dass der Weg dieses Ausnahmekünstlers im Musikbusiness gerade erst begonnen hat.
Electric Soul
VÖ: 08.08.2014
Vertigo Berlin (Universal Music)
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