Elbow – The Take Off And Landing Of Everything
Großbritannien liegt Elbow mittlerweile zu Füßen. Überhäuft mit Preisen, fährt das Quintett aus dem Umland von Manchester regelmäßig Platin-Auszeichnungen ein, durfte im Rahmen der Schlussfeier der Olympischen Sommerspiele in London 2012 auftreten und hat mit „One Day Like This“ einen Song geschrieben, der seither bei sämtlichen Hochzeiten auf der Insel läuft. Unbeeindruckt davon wurde, unterbrochen von Frontmann Guy Garveys Arbeiten am „King Kong“-Musical in New York, das mittlerweile sechste Album „The Take Off And Landing Of Everything“ aufgenommen, das die Briten noch größer, noch monumentaler erscheinen lässt.
Für Garvey wurde das Album erst dann fertig, als er sich während des Aufnahmeprozesses nach zehn Jahren von seiner Freundin trennte und den Texten, die Liebesgeschichten aus den verschiedensten Blickwinkeln behandeln, mehr Biss verlieh. So fand er beispielsweise die fehlende Zutat für den Opener „This Blue World“. Was zuvor wie eine Mischung aus Liebeserkläung und Gedanken über Ex-Freundinnen klang, wurde nach der Trennung fortgedacht. Garvey stellte sich vor, wie seine Ex mit einem anderen eine Familie gründen würde – ein schmerzvoller, ein grausamer Höhepunkt dieses sieben Minuten langen Openers, getragen von frei schwebenden Gitarren und der für Elbow beinahe klassischen Orgel.
Dieser monumentale, ausladende Sound war immer schon Markenzeichen der Briten; und natürlich ist keine Abkehr davon zu erwarten, wie man bereits von den vorab veröffentlichten Songs weiß. „Fly Boy Blue + Lunette“ beginnt mit seinem eigenwilligen Twang und den schrägen, dissonanten Streichern ungewohnt fies, lässt in Kombination mit Garveys mechanischen Vocals Erinnerungen an Radiohead wach werden. „New York Morning“ hingegen übt sich in Schüchternheit, findet sich in der großen Stadt wieder, „a modern Rome where folk are nice to Yoko“ (eine der besten Passagen dieses Albums), und lässt sich vom großen Piano endlos begleiten.
Kein schwacher Moment ist hier zu finden, nur große Songs. „My Sad Captains“, der Abschied von alten Saufkumpanen, ist mit seinen Trompeten, Handclaps und Orgelpfeifen so etwas wie das bittersüße Herzstück des Albums, „Charge“ überrascht mit verführerischen Funk-Untertönen und einem nicht über Ansätze weitergedachten, großen Refrain, während das abschließende „The Blanket Of Night“ mit der Einstellung verschiedener britischen Parteien zu Immigranten hart ins Gericht geht, auch wenn man das ob der butterweichen, auf einem Meer aus feenhaften Streichern und Soundscapes schwimmenden Arrangierung zunächst nicht vermuten würde.
Tatsächlich schaffen es Elbow, sich selbst noch einmal zu übertreffen. „The Take Off And Landing Of Everything“ ist ein großes Album in bester Tradition von „Cast Of Thousands“ und „The Seldom Seen Kid“ – noch eine Spur monumentaler, noch eine Spur eindringlicher, noch eine Spur leidenschaftlicher. Garveys Privatleben verleiht der sechsten Platte der Briten eine weitere Ebene der Bedeutung, mehr Weltschmerz und mehr Erhabenheit. Zehn weitere Songs für die Ewigkeit, möglicherweise das beste Album des Mancunian Quintet.
The Take Off And Landing Of Everything
VÖ: 07.03.2014
Fiction Records (Universal Music)
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