Against Me! – Transgender Dysphoria Blues
Jegliche Fragen, wie es musikalisch für Against Me! weitergehen würde, nachdem man mit „White Crosses“ auf eine Sackgasse zuzusteuern drohte, wurden von Tom Gabels Transgender-Coming-Out im Mai 2012 überschattet. Seither unterzieht sie sich Hormon- und Elektrolysebehandlungen, und hat den Namen Laura Jane Grace angenommen. Die Band, in der Zwischenzeit wieder ohne Major-Vertrag unterwegs, stellte sich neu auf, begrüßt nun Atom Willard (ex-The Offspring, -Social Distortion, –Angels & Airwaves) und Inge Johansson (The (International) Noise Conspiracy) an Bord. Entsprechend spannend erwartet wurde „Transgender Dysphoria Blues“, der Beginn einer neuen Zeitrechnung für Against Me! und Laura Jane Grace.
Hand aufs Herz: Wer hätte gedacht, jemals eine Zeile wie „True trans forever“ lauthals mitzusingen? „True Trans Soul Rebel“, der zweite Song des Albums, macht es möglich. Verpackt in einen Ohrwurm-tauglichen Punker mit dezentem Pop-Appeal und einem überraschend auftretenden blink-182-Riff, bleibt dieser Track noch stärker hängen als der bereits starke Opener „Talking Transgender Dysphoria Blues“ mit seinen vertrackten Drums und dem mittlerweile typischen Springsteen-Americana-Flair. Laura Jane Graces Singstimme hat sich im Übrigen nicht verändert, schabt noch immer in den wütenden Strophen und simmt hymnische Refrains an. Einzig die Themen sind nun andere.
Graces neues Selbst- und Familienverständnis prägt diese Platte. „Unconditional Love“ und „FUCKMYLIFE666“ (jene beiden Tracks, auf denen Fat Mike von NOFX Bass spielt) sind ihrer sie stets unterstützenden Ehefrau gewidmet, „Two Coffins“ der gemeinsamen Tochter, geprägt von Gedanken über die eigene Sterblichkeit und bizarr-gespenstischer Echo-Akustik. Dem gegenüber stehen das Alt.Rock-Radio-taugliche „Black Me Out“ mit seiner Punk-Attitüde sowie das zynische, inhaltlich aufwühlende „Drinking With The Jocks“. Der Preis für den besten Songtitel geht jedoch an das bleiern schwere „Osama Bin Laden As The Crucified Christ“, ein unerwarteter Grower über Mussolini und dessen Geliebte Clara.
An einiges muss man sich erst gewöhnen – den Sound, beispielsweise, der deutlich schroffer ausfällt als auf den beiden letzten Major-Platten und doch besser zu diesen deutlich bissigeren, nicht minder abwechslungsreichen neuen Songs passt. Natürlich fällt „Transgender Dysphoria Blues“ mit unter 30 Minuten Spielzeit zu kurz aus, natürlich zündet nicht jeder Song. Vor allem ist diese Platte, diese betont schwere Geburt nicht nur ein überaus wichtiges Lebenszeichen von Laura Jane Grace und Against Me!, es wird ein Werk sein, das Diskussionen fördert und seiner Hauptdarstellerin die Möglichkeit gibt, ihre Entwicklung, ihr neues Leben zu forcieren. Für diesen Mut, für diese Ehrlichkeit, für diese – pardon – Eier: Chapeau!
Transgender Dysphoria Blues
VÖ: 24.01.2014
Xtra Mile Recordings (Indigo)
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