Baby Lou – Stagediving Into Total Darkness
Mit Biss, Herzblut und DIY-Ethos erspietlen sich Baby Lou vor zwei Jahren einen Platz im Punk-Feld. Oder ist das schon Anti-Punk? Überhaupt noch Punk? Wenn es um die Kategorisierung der mittlerweile zum Trio gewachsenen Saarbrückener geht, tut man sich schwer. Man kommt aus dem Punk, gewisse Bausteine sind noch als solche erkennbar, doch mit einer Mischung aus Hardcore, wahnwitziger Elektronik und Prog-Pop zählen Baby Lou zu den einzigartigsten Bands der Gegenwart. „Fresh Water In A Dirty Glass“ teilte wechselweise in alle Richtung aus, „Stagediving Into Total Darkness“ knüpft daran an und wirkt doch – wohlgemerkt in Relation gesetzt – einen Tacken linearer.
Wo die Saarbrückener überall hinwollen, ist überflüssig aufzulisten – einfacher wäre es, die ausgelassenen Stilrichtungen niederzuschreiben. Dass es trotz entsprechender Bandbreite gelingt, abermals ein zusammenhängendes, sogar noch geordneteres Album hinzulegen, ringt einen gewissen Respekt ab und spricht für das Songwriting des Trios. „K-Tower“ eröffnet die Platte mit bärbeißigen Gitarren, Punk- und Hardcore-Attitüde sowie einem kleinen Pop-Moment im Refrain und dezenten Querverweisen auf frühere Biffy Clyro-Großtaten. Erster echter Prüfstein ist jedoch die Single „Must Be The Reason Why I’m King Of Blieskastel“, ein sechs Minuten langer Whatevercore-Bastard mit Mock-Wamdue Project-Zitat. Die gedrungenen Strophen mit Noise-Untertönen leiten blendend in den ersten, hochgradig melo-punkigen Refrain um. Zwischendurch mutet es beinahe proggig an, dann wieder widerspenstig, schließlich eingängig und schlussendlich kratzbürstig.
Baby Lou wechseln Stimmung und Genre öfter als Frank Stronach seine Parteifunktionäre; und das mit Vocals, die abermals nach einer Desaparecidos-Reunion klingen (siehe und höre der fantastische, unverschämt eingängige Titeltrack „Stagediving Into Total Darkness“). Rundherum diktieren Schutt und Asche das Geschehen. Das Saarbrückener Trio webt ein feinmaschiges Netz aus Zitaten und eröffnet das abgefuckte „Harpoons And Daggers“ mit einer kräftigen „New Noise“-Hommage aus dem Hause Refused. Dass es dahinter melodisch, für Band-Verhältnisse beinahe lieblich wird – geschenkt. Selbst die ruhigen, unterschwellig beatesken Exkurse („Comets“) gelingen, dazu haben Baby Lou im abschließenden „Never Tune Down The Electric Sword“ einen weiteren überlangen Song im Gepäck, der abermals alle Stücke spielt und im Mittelteil Pop-Prog par excellance vom Stapel lässt. Zwischenzeitlich findet man sogar Raum, ein wenig Dashboard Confessional einzubringen.
Ohne Frage werden sich an dieser Platte – ‚Platte‘ ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen, es wird keinen CD-Release geben – abermals die Geister scheiden, obwohl „Stagediving Into Total Darkness“ tatsächlich eine Spur geradliniger und, vorsichtig gesagt, nachvollziehbarer als sein direkter Vorgänger ausfällt. In den wilden, unorthodoxen Stilmix von Baby Lou muss man sich erst reinhören, sich zu seinem Innersten vorarbeiten, zwischen Pop und Waaaargh! die eierlegende Wollmilchsau einen Veitstanz hinlegen lassen. Unterhaltsam? Aber hallo.
Stagediving Into Total Darkness
VÖ: 18.10.2013 (LP / DL)
141 records
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