Sportfreunde Stiller – New York, Rio, Rosenheim
WM-Hymne, Edel-Metall, Udo Jürgens – die Sportfreunde Stiller waren 2009 mit der Veröffentlichung ihres Unplugged-Albums am Karriere-Olymp angekommen. Was folgte, war eine (angekündigte) lange Pause, die Schlagzeuger Flo Weber unter anderem für seinen zweiten Roman „Grimms Erben“ und Aushilfsarbeit bei den legendären Noise-Rockern Harmful nutzte. Die Zeit der Stille ist nun vorbei, mit „New York, Rio, Rosenheim“ erscheint, im Sog des Top-10-Einstiegs des Vorboten „Applaus, Applaus“, das erste reguläre Studioalbum seit 2007.
Besagte, bereits bestens bekannte Single zählt zu den ruhigen, rührseligen Momenten dieser Platte, clever konzipiert, letztlich verdient hoch eingestiegen. Peter Bruggers Gesang mutet nach wie vor leicht schief an, ein wenig Schmalz muss wohl ebenso sein wie Streicher aus der Dose; solide Kost eben, der potentiellen Herbst-Auskopplung „Festungen und Burgen“ ähnlich. Hier wandelt das Trio auf dem schmalen Grat zwischen ergreifender Ballade und seichter Peinlichkeit. Die verhaltenen E-Gitarren verhindern Schlimmeres. „Wieder kein Hit“ wäre wohl das passende Motto hierfür, ein herrlich beschwingter Song, der die songwriterische Krise der Bajuwaren auf gewohnt amüsante und unbeschwerte Art und Weise thematisiert.
Mit Wortwitz und schrägem Um-die-Ecke-Denken – in musikalischer wie textlicher Hinsicht – punkten Sportfreunde Stiller und machen so manchen schwachen Track vergessen. Der trashige 80s-Albtraum könnte aus der tiptop-Zeit übrig geblieben sein, „Unter unten“ mischt Schlachtgesänge mit spitzbübischem Charme und der furztrockene Rocker „Lederjacke“ stellt fest, dass die bessere Hälfte alles haben kann, nur eben nicht besagtes edles Kleiderstück. Wer hingegen einen Ohrwurm Marke „Ein Kompliment“ und Konsorten sucht, bekommt den hibbeligen Opener „Hymne auf Dich“ serviert, Synthis und brodelnder Refrain inklusive.
Außer Konkurrenz agiert gewissermaßen das von Flo Weber intonierte „Es muss was Wunderbares sein (von mir geliebt zu werden)“. Was als romantische Swing-Liebeserklärung beginnt, entwickelt sich zu einer Hymne auf S&M und andere Schweinereien. Ob der im Beipackzettel formulierte inhaltliche Vergleich mit Rammstein gerechtfertigt ist, sei dahingestellt, die Idee hinter diesem Track ist auf jeden Fall großes Kino. Auch wenn die insgesamt etwas enttäuschenden Balladen und ein wenig Füllmaterial auf die Gesamtwertung drücken, darf man sich letztendlich dennoch über das Lebenszeichen der Sportfreunde Stiller freuen. „New York, Rio, Rosenheim“ mag zwar nicht fehlerfrei sein, es steht allerdings für kurzweilige Unterhaltung, gespickt mit so mancher Überraschung und bissigem Experiment. Chapeau.
New York, Rio, Rosenheim
VÖ: 24.05.2013
Vertigo Berlin (Universal Music)
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