Justin Timberlake – The 20/20 Experience
Selten wurde ein Comeback-Album so heiß erwartet wie das von Multitalent Justin Timberlake. Der 32-Jährige hatte sich in den letzten Jahren verstärkt seiner Filmkarriere gewidmet und war in gleich mehreren Blockbustern zu sehen. Nebenbei machte er noch mit seinem spektakulären Anteilskauf an der Social Media-Plattform MySpace Schlagzeilen. Nach über sechs Jahren hieß es Anfang dieses Jahres allerdings Aufatmen für die Fans: Mit „Suit & Tie“ und besonders dem erfolgreichen „Mirrors“ veröffentlichte er gleich zwei neue Songs, die als Vorboten für drittes Solo-Album „The 20/20 Experience“ dienen sollten, das ab sofort erhältlich ist. Musikalisch kann es die logischerweise sehr hohen Erwartungen erfüllen, auch wenn hier und da einige Längen nicht zu leugnen sind.
Insgesamt bietet der Longplayer zehn Titel plus zwei Bonustracks. Wer sich nun bereits über die geringe Anzahl beschweren will, dem sei gesagt, dass jeder Song, ähnlich wie „Mirrors“, mit einem mehrminütigen Outro versehen ist und dadurch etwa sieben bis acht Minuten dauert. Während der von Streichern inszenierte Beginn von „Pusher Love Girl“ noch ein wenig an den „Lindenstraßen“-Vorspann erinnert, setzt wenig später ein klassischer RnB-Beat ein, den Justin mit seiner perfekt darauf ausgerichteten Stimmfarbe gekonnt zu veredeln weiß. Zum Ende hin steuert der Song gar leicht in den HipHop-Bereich und präsentiert sich somit extrem tanzbar.
Parallelen zum Vorgänger „FutureSex/LoveSounds“ werden alleine deswegen schon hörbar, da auch hier wieder u.a. Timbaland am Mischpult saß und als Hauptproduzent fungiert. Dass er nach wie vor äußerst eingängige Sounds kreieren kann, wird besonders mit „Tunnel Vision“ und „Don’t Hold The Wall“ unter Beweis gestellt, bei denen er jeweils im Hintergrund mit seinen Shouts zu hören ist. Vor allem letztgenannter Song bietet stilistisch einen abwechslungsreichen Mix aus Timberlakes ersten Solo-Ausflügen wie beispielsweise „Cry Me A River“ und späteren Hits wie „My Love“. Auch wenn die ganz große Ballade ausbleibt, so gleitet zumindest „That Girl“ in ähnlich romantische Gefilde und könnte es spielend mit vergleichbar angelegten Stücken wie „Untitled (How Does It Feel)“ von D’Angelo aufnehmen.
Heiße Rhythmen für karibische Nächte bietet der Floorfiller „Let The Groove Get In“, der in der Tat recht lateinamerikanisch daherkommt und für so manch schwingende Hüften sorgen dürfte. Hier wurden die knapp sieben Minuten perfekt ausgenutzt, sodass selbst im Schlussteil keinerlei Langeweile aufkommt. Wer nach diesem wilden Ritt eine Pause braucht, der dürfte mit „Blue Ocean Floor“ gut bedient sein, allerdings stellt er ausgerechnet den schwächsten Track des Albums dar. Wie der Titel schon andeutet, plätschert er nur so dahin und hört sich fast so an, als würde man ihn durchweg rückwärts abspielen. Wie Chill Out-Musik besser funktioniert, zeigt „Dress On“ mit seinen elektronischen Anleihen auf angenehme Art und Weise. Beim etwas kürzeren, mit über viereinhalb Minuten aber dennoch üppigen Rausschmeißer „Body Count“ heißt es dann wieder: Regler aufdrehen! Wummernde Beats sorgen erneut für ausgelassene Partystimmung Marke Timberlake/Timbaland.
Musikalisch erfindet sich Justin Timberlake zwar nicht unbedingt neu, angesichts des qualitativ hochwertigen Ergebnisses ist das jedoch nicht weiter tragisch. Vielmehr hat er seinen bereits 2006 schwerst erfolgreichen RnB-Sound mit Songs wie „Spaceship Coupe“ und „Strawberry Bubblegum“ weiter verfeinert und vertraut im Gegensatz zu seinem letzten Album diesmal voll und ganz auf seine eigene Stärke, da er bis auf „Suit & Tie“ zusammen mit Jay-Z auf sonstige Feature-Acts komplett verzichtet. Lediglich die konsequente Überlänge jedes Songs, bei denen er sich an Größen wie Led Zeppelin, Pink Floyd oder Queen orientiert, mag nicht für jeden etwas sein, dafür wurden die Interludien zum Großteil durchaus sinnig und variabel eingearbeitet. Festzuhalten bleibt nach fast einer Stunde und 20 Minuten Hörgenuss: Wer sich nach über sechsjähriger musikalischer Abstinenz derart stark zurückmeldet, dem gebührt die Bezeichnung „Megastar“ absolut zurecht.
The 20/20 Experience
VÖ: 15.03.2013
RCA Records (Sony Music)
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