Stratovarius – Nemesis
Zu Beginn ein kleiner Zeitsprung zurück in die 90er Jahre: Damals hatten sich die Finnen Stratovarius von Album zu Album immer mehr gesteigert und mit „Episode“ 1996 schließlich den Melodic Power Metal-Thron bestiegen, den sie bis zu ihrem 2000er-Werk „Infinite“ auch wacker verteidigten. Danach jedoch schwächelten Stratovarius und andere Bands, beispielsweise die damaligen Newcomer von Sonata Arctica, nahmen ihren Platz ein. Nach dem schwachen „Stratovarius“-Album und Timo Tolkkis Ausstieg hatte niemand mehr große Erwartungen an die Band, und so waren die Comeback-Scheiben „Polaris“ und „Elysium“ nicht weniger als eine riesige Überraschung. Stratovarius waren plötzlich wieder fast so gut wie in den 90ern – und die Erwartungshaltung an das neue Album „Nemesis“ ist dementsprechend gigantisch.
Und diese Erwartungen könnten beim Hören des Openers „Abandon“ leicht enttäuscht werden, denn die Nummer ist – trotz guter Ansätze – nicht mehr als Stratovarius-Durchschnitt. Die richtigen Zutaten – eingängige Melodien, krachende Riffs und verspielte Keyboardsounds – sind zwar vorhanden, doch ohne das richtige Rezept wird eben nur ein halbgarer Kuchen daraus. Man sollte jedoch nie den Fehler begehen, ein Album anhand seines Openers zu bewerten, denn gerade im Fall von „Nemesis“ wäre dies fatal, haben Stratovarius doch einen der schwächsten Songs an den Anfang gestellt. Gleich im Anschluss folgt mit der Vorab-Single „Unbreakable“ dann auch schon ein Ohrwurm-Kracher der Güteklasse A, dessen mitreißender Refrain zu den Sternstunden des Genres gehört. Ungewohnt düster, aber keinen Deut schlechter, schallt „Standing My Ground“ aus den Boxen – ganz im Gegensatz zu „Fantasy“, das fast wie der Prototyp eines Happy Metal-Songs anmutet.
Auch jene Songs, die mit ungewohnt modernen Elementen gespickt sind, wie etwa das extrem schnelle „Halcyon Days“ und das Avantasia-eske „Dragons“, wissen von vorne bis hinten zu überzeugen, während das fragile „If The Story Is Over“ die Rolle der Quotenballade geradezu bravourös ausfüllt. Der abschließende Titelsong „Nemesis“ wird schließlich auch den ärgsten Zweifler davon überzeugen, dass das neue Album sämtliche Stratovarius-Scheiben nach „Infinite“ locker in die Tasche stecken kann. Da stört es dann auch kaum, dass sich neben dem Opener mit „Out Of The Fog“ noch ein weiterer Mittelklasse-Song an Bord geschmuggelt hat.
Dass Stratovarius wieder zur Elite des Melodic Power Metal-Sektors zählen, demonstriert „Nemesis“ mit Bravour. Schließlich strotzt die Scheibe nur so vor guten Ideen und übertrifft ihren beileibe nicht schlechten Vorgänger um Längen. Melodischer Gute-Laune-Metal in Vollendung, der in jeder Minute zu 100 Prozent nach Stratovarius klingt, findet sich auf „Nemesis“ zu Genüge. Trotz aller Linientreue bleibt auf dem Album aber auch Platz für Weiterentwicklung – so sind besonders die Keyboardklänge von ungewohnt modernem Charakter. In der Schublade „so stark wie eh und je“ ist wiederum Timo Kotipeltos Stimme einzusortieren, die noch immer das Aushängeschild dieser Ausnahmeband darstellt. Trotz aller Qualitäten ist „Nemesis“ aber nicht das beste Stratovarius-Album aller Zeiten geworden. Das 1997er-Werk „Visions“ wird wohl auf ewig die bandeigene Rangliste anführen – so ein Meisterwerk nimmt man eben nur einmal im Leben auf. So bleibt zum Schluss nur noch zu sagen, dass „Nemesis“ in jede gut sortierte Melodic Metal-Sammlung aufgenommen werden sollte.
Nemesis
VÖ: 22.02.2013
earMUSIC (Edel Music Distribution)
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