ESC 2013: Cascada gewinnen „Unser Song für Malmö“

Cascada

Cascada werden Deutschland mit „Glorious“ beim Eurovision Song Contest 2013 in Malmö vertreten. Die Band um Frontfrau Natalie Horler bekam von den Radio-Hörern zehn, von der Jury acht und von den Fernsehzuschauern zwölf Punkte, und gewann damit den Vorentscheid mit 30 von 36 möglichen Punkten. „Unser Song für Malmö“, der Vorentscheidungsneustart nach der Raab-Ära, fand damit einen würdigen und auf breiter Basis legitimierten Siegertitel. Auch die Gesamtbilanz fällt positiv aus: Dem NDR ist es gelungen, eine moderne und musikalisch hochwertige Show auf die Bühne zu bringen. Einige Fragen warf hingegen das Votingsystem auf und bietet damit Überarbeitungspotenzial für das kommende Jahr.

Schon der Beginn von „Unser Song für Malmö“ war fulminant: Loreen durfte ihren Vorjahressiegertitel „Euphoria“ zum Besten geben; Lena folgte ihr mit „Satellite“. Spätestens jetzt musste allen diesjährigen Teilnehmern klar sein, welch große Fußstapfen es zu füllen galt und dass der NDR sich kein geringeres Ziel gesetzt hatte, als einen ebenso modernen und massentauglichen Song zu finden, wie die beiden genannten es waren und immer noch sind. Erfreulich auch, dass den Zuschauern im Anschluss nochmal die großen Namen des ESC sowie der Austragungsort 2013 vorgestellt wurden – ein Bezug zum internationalen Finale, der in den Raab’schen Vorjahressendungen häufig gefehlt hatte.

Auch die übrigen Showelemente waren erfreulich gut durchdacht. Ankes Moderationen waren sehr gut, sie war witzig und charmant. In der Halle war es ein einziger Genuss, sie während der Songs zu beobachten, weil man so merkte, dass der Vorentscheid für sie mehr als nur eine Show unter vielen ist. Sie tanzte zu den schnellen Songs, konnte alle Titel mitsingen und hatte einfach Spaß an ihrem Job. Lena und Loreen nochmal als Pausenact einzusetzen, war vielleicht nicht übermäßig kreativ; es hätte aber sicherlich auch schlechtere Alternativen gegeben und so blieb immerhin der ESC-Bezug gewahrt. Auch Licht und Ton sowie das Bühnenbild waren stimmig und einer großen Abendshow mindestens angemessen.

Und damit zum wichtigsten Teil der Show: der Musik. Die einzelnen Song wurden hier und hier schon im Detail vorgestellt und die dargebotene Performances wichen größtenteils auch nur wenig von den Erwartungen ab. Die erste negative Überraschung gab es jedoch gleich beim zweiten Act Mobilée, deren Performance leider völlig im Wummern des eigenen Basses unterging und deren Sängerin nicht unbedingt immer den ganz richtigen Ton traf. Darauf folgten mit den BLITZKIDS mvt., Betty Dittrich und Ben Ivory jedoch drei grundsolide Auftritte, wobei die BLITZKIDS mvt. und Ben die in sie gelegten Erwartungen sogar noch übertreffen konnten: spektakuläre Bühnenshows von internationalem Format und der gute Ben Ivory ließ sich nicht einmal von anfänglichen Problemen mit seinem In-Ear-Monitor irritieren.

http://www.youtube.com/watch?v=oxdiqKIxA4o

Für überraschte Gesichter im Zuschauerraum sorgten auch LaBrassBanda: Die Band spielte eine bislang nicht aufgeführte Version ihres Songs „Nackert“, bestehend aus einer Strophe, einem Refrain und einem gefühlt fünfminütigem instrumentalen Outro. Dennoch kam die Halle dabei erstmals ordentlich in Bewegung. Was man vom Auftritt der Mitfavoriten Söhne Mannheims nicht behaupten konnte: So uninspiriert das Lied schon war, so dröge war auch die Liveshow und der Funke wollte einfach nicht überspringen – was durchaus auch daran gelegen haben mochte, dass in den ersten Reihen die Mitglieder der beiden deutschen ESC-Fanclubs saßen und diese „One Love“ mit demonstrativem Desinteresse begegnen wollten, um einen möglichen Sieg noch unwahrscheinlicher zu machen.

Dann war es Zeit für den letzten Song des Abends und schon nach den ersten Takten war klar, dass die Halle nur einen Siegertitel akzeptieren würde: Natalie Horler von Cascada stimmte ihr „Glorious“ an und ab diesem Zeitpunkt war zum ersten Mal seit dem Opening Act von Lena und Loreen so etwas wie Euphorie zu spüren. Viele Zuschauer standen, Fahnen wurden geschwenkt, ein Hauch von Grand Prix lag in der Luft. Ja, das musste es einfach werden. Geschenkt, dass sich die Musik so anhört wie „Don’t You Worry Child“ von der Swedish House Mafia. Geschenkt, dass sich die Melodie anhört wie eine „Euphoria“-Kopie. „Glorious“ war an diesem Abend der Song, auf den sich alle einigen konnten, den alle zumindest ganz okay fanden und der am besten zum neuen, modernen ESC passte. Wie sehr die Ähnlichkeit zur Vorjahressiegerin von Europa abgestraft wird, wird sich am 18. Mai zeigen. Cascada waren an diesem Abend würdige Sieger.

Doch zuvor galt es nun noch die Abstimmung zu ertragen. Und „ertragen“ im wahrsten Sinne des Wortes musste man vor allem das Voting der Radio-Hörer. Oder besser gesagt: das Voting der Fangruppen. Irgendjemand war auf die glorreiche Idee gekommen, dass man mit jeder E-Mail-Adresse bei allen neun Radiostationen abstimmen durfte und – oh Wunder! – die meisten taten dies offensichtlich auch. So verlasen also alle neun teilnehmenden Radiostationen nacheinander ihre Punkte – und vergaben fast alle die gleiche Punktzahl an dieselben Acts. Spätestens nach der fünften Wertung war das auch dem Letzen in der Halle klar und so wurde nicht einmal mehr bei der Vergabe der zehn oder zwölf Punkte applaudiert. Hier sollte im nächsten Jahr auf jeden Fall über eine Modifizierung nachgedacht werden.

Nachdem nach diesem Voting LaBrassBanda vor Cascada und Betty Dittrich lag, sorgte das Jury-Voting im Anschluss durch null Punkte für Betty und einen Punkt für LBB dafür, dass gleich zwei Acts aus dieser Spitzengruppe den Anschluss verloren und trafen so bereits eine Vorentscheidung, da Cascada damit schon fünf Punkte Vorsprung hatten und es sehr unwahrscheinlich war, dass das Publikum sie so weit unten ranken würde. Hinzu kam, dass die Zuschauer auch während und nach den Radio- und Juryvotings weiter anrufen konnten – was tendenziell dazu führt, dass es auf einen Zwei- oder Dreikampf an der Spitze hinaus läuft und die Zuschauer ihre Stimmen auf diese Acts konzentrieren. Ob es nun daran lag, dass LaBrassBanda und Cascada auch das Televoting anführten oder ob sie eben bei den Fernsehzuschauern einfach ebenso gut ankamen wie bei den „Radiohörern“, sei dahingestellt. Undurchsichtig war das Votingsystem aber allemal und so herrscht hier auch das größte Verbesserungspotenzial von USFM. Dass die Show im kommenden Jahr fortgesetzt wird, ist hoffentlich keine Frage – sie war genauso, wie der deutsche Vorentscheid heutzutage aussehen sollte.

Hier noch das vollständige Endergebnis:

1. Cascada – Glorious
2. LaBrassBanda – Nackert
3. Söhne Mannheims – One Love
4. Saint Lu – Craving
5. Nica & Joe – Elevated
6. BLITZKIDS mvt. – Heart On The Line
7. Ben Ivory – The Righteous Ones
8. Betty Dittrich – LaLaLa
9. Finn Martin – Change
10. Die Priester feat. Mojca Erdmann – Meerstern, sei gegrüßt (Ave Maris Stella)
11. Mobilée – Little Sister
12. Mia Diekow – Lieblingslied