Blackmail – II
So riskant es auch war, das Unterfangen ‚Sängerwechsel‘ glückte: Blackmail schwimmen mit Mathias Reetz wieder obenauf und durften sich, natürlich vollkommen verdient, über gute Kritiken zum ersten gemeinsamen Album „Anima Now!“ freuen. Um einiges eingängiger und zugänglicher war die Platte, britisch geprägt, ohne jedoch auf die Band-Trademarks zu vergessen. Diesen Weg gehen die vier Koblenzer unbeirrt weiter. „II“, ihr achtes Studioalbum (und das zweite der neuen Ära, wie der Titel signialisiert), ist ihr bislang vielleicht vielschichtigstes Werk, das wie eine Zeitreise durch die Historie der Rockmusik anmutet.
Natürlich heißt das nicht, dass man auf typischen, ‚klassischen‘ Blackmail-Stoff verzichten muss. Der als Gratis-Download verfügbar gemachte Opener „Impact“ beginnt mit Xylophonartigen Klängen und so etwas wie einem Chor leicht wirr, doch kaum setzen die rein von der Rhythmusabteilung getragenen Strophen ein, über die Reetz gewohnt bissig singt, wähnt man sich in Sicherheit. Zahlreiche kleine Breaks – unter anderem Synthis, elektronische Breakdowns und ein entstelltes Gitarrensolo – gehen positiv an die Substanz. Wer es lieber direkt und ausufernden rockig mag, dürfte an „Shine“, „Kiss The Sun“ und dem knüppelharten, potentiellen Live-Hit „Palms“ seine helle Freude haben.
„II“ steht aber nicht nur für Konsolidierung, Blackmail zeigen sich abermals von ihrer abwechslungsreichen, experimentellen Seite. Das vorwitzige, leicht psychedelische „Sleep Well, Madness“ erinnert an den symphonisch angehauchten Arctic Monkeys-Nebenschauplatz The Last Shadow Puppets, könnte als radiotaugliche Single gut funktionieren. Das gilt auch für „Day Of Doom“, das stellenweise zu Snow Patrol und U2 passen würde, ohne dabei auf den Band-typischen Alternative-Sound zu verzichten. „Dual“, der mit sechseinhalb Minuten Spielzeit überlange Rausschmeißer, fasst die sehr unterscheidlichen Facetten dieses Albums gut zusammen. Nicht nur, dass Ebelhäuser in manchen Passagen den Gesang übernimmt, der weit gespannte Bogen von Britpop bis hin zu treibendem, bärbeißigen Alternative Rock wirkt befreiend, geradezu versöhnlich.
Einfach ist dieses achte Studioalbum mit Sicherheit nicht, es benötigt viel Zeit und Sitzfleisch, um sich auf „II“ einzulassen. Im Prinzip handelt es sich um den nächsten logischen Schritt nach „Anima Now!“, auch wenn man an die Ohrwurm-Qualitäten und die schier unbändige Energie dieses Monsters nicht immer herankommt. Blackmail haben dieses Mal kaum wirkliche Hits im Gepäck, gerade die ruhigeren, experimentellen Momente muss man sich erst erarbeiten. Gewissermaßen kombiniert „II“ Fort- und Rückschritt; einerseits wird es interessant sein, diese Entwicklung zu beobachten, andererseits schöpfen Blackmail ihr Potential nicht vollends aus. Natürlich beschwert man sich immer noch auf gutem Niveau, es ist jedoch jenes einer Übergangsplatte, die wie ein Wegbereiter für eine goldene Zukunft klingt – siehe „Wake The Dogs“ von den Donots. Mit anderen Worten: ein spannender, leicht unsicherer Schritt.
II
VÖ: 22.02.2013
Unter Schafen Records / 45 Records (AL!VE)
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