Tusq – Hailuoto
Wenn eine faustdicke Überraschung ein weiteres Mal, nun ja, überrascht, nimmt man zwangsläufig Notiz. Das durchaus prominent besetzte Quartett Tusq debütierte im Oktober 2010 mit „Patience Camp“ und hatte einige echte Hits („You And I“, „Fortune“) im Gepäck. Auch durfte man unter anderem mit The Soundtrack Of Our Lives auf der Bühne stehen, was rein musikalisch wie Arsch auf Eimer passte. Für die Aufnahmen der zweiten Platte zog man sich nach Finnland, dem Polarkreis besonders nahe, zurück, um auf einer 1001-Seelen-Insel erneut mit Jürgen Hendlmeier aufzunehmen. Der Name des frostigen Eilands wurde auch gleich zum Albumtitel auserkoren: „Hailuoto“.
Schnee und Eis trieben Motorpsycho und The Soundtrack Of Our Lives hinfort, ersetzten sie durch New Order und The Cure. Was sich auf dem Debüt bestenfalls in „History Lane“ und „Unfold“ im Ansatz andeutete, nimmt plötzlich eine ganze Platte ein: verspielter Frohsinn weicht unterkühlten 80s-Britrock, dargeboten von bleiernen Seelen. Die Vorabsingle „Drive“ ist noch so etwas wie das Beste beider Welten, nimmt ein wenig die Euphorie des Erstlings mit, torpediert diese jedoch mit Cure-Gitarren und nachdenklichem, melancholischen Gesang. Leichtfüßig sind Tusq freilich immer noch, der Refrain ist ebenso eine große, majestätische Angelegenheit. Man setzt auf Understatement, wird von einem kalten Wind umweht.
Die Überraschung ist geglückt, mindert die Quailtät dieser zweiten Platte jedoch nicht; man muss sie bloß länger auf sich wirken lassen, um die echten Perlen zu erkennen. Eine davon ist „Ring Me Up When You’re Dead“, das vor allem in punkto Produktion stark an Großbritannien in den 80er Jahren erinnert. Gerade die Art und Weise, wie der Gesang scheinbar losgelöst über dem Arrangement flattert, das bittersüße Arrangement stört und doch vervollständigt, ist pure Magie. „Perfect Game“ bewegt als sympathisch holpriger Opener, „1000 Points Of Light“ ist ein eindringlicher Hit mit dezenter Joy Division-Schlagseite und „Shortcut Through A Bottleneck“ hat etwas von Weltschmerz und Fernweh.
Kaum sind die letzten Töne von „Remains“ – eine Art Variation auf das Toy-Debüt ohne Noise und Fuzz – verklungen, wandert der Finger automatisch und unweigerlich zur Repeat-Taste. Erneut will man hören, wie sich Tusq selbst auseinander nehmen und neu zusammensetzen, wie sie die Eiswüste in 80s-Klänge packen und dabei Post Punk auf Dream-Pop treffen lassen. „Hailuoto“ ist für Fans des Debüts eine faustdicke Überraschung und anfangs kaum zu greifen. Wurde man auf dem Vorgänger von potentiellen Hits regelrecht erschlagen, regiert hier die feine Klinge; es ist ein Grower, wie er im Buche steht, ein leidenschaftliches Rockalbum, geprägt von kleinen Gesten und schweren Herzen.
Hailuoto
VÖ: 18.01.2013
Strange Ways Records (Indigo)
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