Loreen – Heal
Baku, 26. Mai 2012. Die Schwedin Loreen zieht mit einer denkwürdigen Performance ein Millionenpublikum in ihren Bann – und gewinnt mit 372 Punkten den Eurovision Song Contest. Ihr Siegertitel „Euphoria“ avanciert zum europaweiten Nr. 1-Hit, wie ihn der ESC seit Jahren nicht mehr hervorgebracht hat. Loreen ist in aller Munde, räumt einen Award nach dem anderen ab. Nur auf ihr Album hat sie lange warten lassen. Erst jetzt, exakt fünf Monate nach Baku, steht „Heal“ endlich in den Läden.
Gewohnt mystisch startet der Opener „In My Head“ mit düsteren Streichersamples und wabernden Synthis, ehe Loreens warme, aber zunächst noch relativ zurückhaltende Stimme einsetzt. Kompromissloser kommt der „Euphoria“-Nachfolger „My Heart Is Refusing Me“ zur Sache, mit dem Loreen bereits 2011 beim Melodifestivalen, Schwedens nationalem Vorentscheid, antrat – und es damals nicht in die Endrunde schaffte. In der neu arrangierten Dance-Version kommt der kraftvolle Chorus noch stärker zur Geltung, ein packender, keltisch angehauchter Break wertet die Nummer zusätzlich auf. Von ähnlichem Kaliber ist „Crying Out Your Name“, dem Follow-Up für den schwedischen Markt. Diesmal wird der dramatisch vorgetragene Refrain (mit hohem Loreen-Wiedererkennungswert) von treibenden Breakbeats begleitet – eine gelungene Variation des bekannten Rezeptes. „Euphoria“ selbst ist in einer um ein 30-sekündiges Streicherintro verlängerten Version vertreten und beweist trotz der allmählichen Übersättigung, welch einen Überhit Loreen abgeliefert hat.
Logisch, dass es der Rest des Longplayers umso schwerer hat. Zwar entpuppt sich „Heal“ als abwechlungsreicher als gedacht, doch insbesondere die zweite Hälfte hinterlässt einen durchwachsenen Eindruck. Die druckvolle Midtempo-Nummer „Sidewalk“ gehört sicher noch zu den stärkeren Titeln. Ansonsten krankt das Material mal an unnötig jauligem Gesang („If She’s The One“), steril plätschernden Beats („Breaking Robot“) oder beinahe schlagerhaften Melodien („See You Again“). Selbst „Sober“, einer weiteren Prä-„Euphoria“-Single, hat man hier ein konfuses, wenig vorteilhaftes Gewand verpasst. Stimmiger sind da schon die ruhigen Momente des Albums: Etwa die elektronisch blubbernde Ballade „Everytime“, die leise Erinnerungen an Madonnas „Ray Of Light“-Ära weckt. Oder „Do We Even Matter“ mit einem wirklich hübschen Refrain, der leider in ein zu karges Arrangement gebettet wurde. Der Titeltrack ist hingegen ein würdiger, atmosphärischer Downtempo-Rausschmeißer, der sich durch seine Andersartigkeit vollständig von „Euphoria“ emanzipiert hat.
Nach knapp 50 Minuten fällt das Fazit dennoch ernüchternd aus. Zwar klingen die Produktionen durchweg sauber, und Loreen wird nicht zu Unrecht als eine der charismatischsten Newcomerinnen gehandelt. Was ihrem Album oftmals fehlt, sind die Energie und die Spannung, die der Eurovision-Hit auch nach dem x-ten Hören noch verbreiten konnte. Natürlich hat niemand ein Album voller „Euphoria“s erwartet, doch „Heal“ wirkt im direkten Vergleich blass, kraftlos und streckenweise auch wenig individuell. Ein bisschen Medina hier, etwas Madonna dort. Es überrascht nicht, dass „My Heart Is Refusing Me“ und „Crying Out Your Name“ als Follow-Ups gewählt wurden, sind es doch die einzigen zwei Tracks, die es ansatzweise mit „Euphoria“ aufnehmen können. Schade, auf Albumlänge bleibt die große Euphorie leider aus.
Heal
VÖ: 26.10.2012
Warner Music
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