Wintersleep – Hello Hum

Wintersleep

Es ist nur schwer nachzuvollziehen, warum eine Band wie Wintersleep, die seit 2003 konstant gute, wenngleich auch nicht immer einfach zu greifende Alben veröffentlicht, hierzulande solche Anlaufschwierigkeiten hat. Die Platten der Kanadier erscheinen prinzipiell mit Verspätung in Deutschland, auch wenn es im Fall von „Hello Hum“ verhältnismäßig schnell geht. Das fünfte Studioalbum der Juno-Preisträger erscheint mit gerade einmal drei Monaten Verzögerung via Affairs Of The Heart; als Herzensangelegenheit, wenn man so will. Tatsächlich hätte man keinen passenderen deutschen Labelpartner finden können, weder auf qualitativer noch auf inhaltlicher Ebene. Dass Wintersleep, unbeeindruckt von ihrem Umfeld, einen weiteren Geniestreich abgeliefert haben, verkommt da schon beinahe zur Randnotiz.

Tatsächlich vermag sich der Auftakt „Hum“ erst nach einigen wenigen Umläufen durchzusetzen. Die Aufbruchsstimmung ist zu spüren, zweieinhalb Minuten Uptempo und ein regelrechtes Klangdickicht betreiben eine besondere Art von Auslese. Wer über diese kleine Hürde hinweg kommt, darf sich auf eine von Grund auf sympathische Platte freuen. Alle anderen werden beinhart abgeworfen. Und versäumen dadurch beispielsweise die Single „In Came With The Flood“, überlagert von einer schrägen Keyboard-Melodie, die gegen den gängigen Indie-Rock-Duktus steuert. Über all dem schwebt Paul Murphys entspannter, dennoch fordernder Gesang, mal unbeschwert, mal eindringlich; so wie in „Resuscitate“, mit dem „Hello Hum“ an vierter Stelle endgültig abhebt. Mechanisch wirkende Gitarren und unscheinbare, im Hintergrund lauernde Foals-Melodien tänzeln rund um ein hymnisches Lagerfeuer.

Im „Saving Song“ verlaufen sich die Kanadier kurz, auch „Rapture“ kann sich nur schwerlich aus einem kleinen Zwischentief herausziehen. Haben Wintersleep etwa den Faden verloren? Hält die Beliebigkeit Einzug? Selbst wenn dem so sein mag, fegt das mächtige „Unzipper“ sämtliche Zweifel weg, überrascht mit angedeuteter Radiohead-Phrasierung und jener Dringlichkeit, die man zuvor vermisst hat. Der Rest des Albums ist ein einziger Triumphzug, gekrönt durch das fragile „Smoke“, in dem sich so unterschiedliche Assoziationen wie Slut, die gemeinsame Platte von Robert Plant und Alison Krauss, sowie klassischer Indie Pop der angenehm schlichten, blumigen Gangart mit einem Hauch The Pierces vermengen. Wahrscheinlich ist das kompletter Blödsinn, doch wer will das ureigene Kopfkino schon unnötig eingrenzen?

Längst haben Wintersleep ihren ureigenen Sound gefunden, mischen zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und wohlig warme Keyboard-Teppiche mit Murphys herausragender Stimme zu einer Art Indie-Potpourri der obligatorisch hitverdächtigen Sorte. „Hello Hum“ knüpft nahtlos an seine Vorgänger an. Ob es gerade „Untitled“ toppt, ist wohl Geschmackssache, tut aber auch nicht unbedingt etwas zur Sache. De facto unterhalten die Kanadier, auch wenn sie kurz vom Kurs abkommen, denn um so faszinierender ist es, sie dabei zu beobachten, wie sie wieder zurück in ihre musikalische Erfolgsspur finden. Wer auf dichten Indie Rock, wenn man denn eine Schublade sucht, mit Ausschlag in sämtliche angepoppten, alternativen Richtungen steht, sollte Wintersleep nun endlich für sich entdecken. Wird ja auch Zeit.

VÖ: 21.09.2012
Affairs Of The Heart (Indigo)

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