Honig – Empty Orchestra
Es war einmal ein Junge, der sich stets in der Natur aufhielt. Wanderte mit einem Pflanzenbestimmungsbuch in der Hand, radelte durch Schweden, paddelte mit dem Kajak über stille Seen. Später war er Teil der Metalband Benevolent, blieb irgendwo hängen und ließ sich von einem Tinnitus zurück zur Stille des Moments führen. Stefan Honig macht Musik als Honig, schnitzt Singer/Songwriter-Perlen mit sympathischem Pop-Appeal und viel Gefühl, und hat mittlerweile seinen Job als Erzieher gekündigt. „Empty Orchestra“ heißt sein neues Album, auf dem er sich unter anderem von einem Ex-Benevolent-Kollegen und dem aktuellen Clueso-Schlagzeuger unterstützen ließ. Kann man machen.
‚Machen‘, um die gekünstelte Überleitungsfloskel erneut zu strapazieren, kann man auch einen Song wie „For Those Lost At Sea“, zu dem es auch ein bezauberndes Video gibt. Tim Neuhaus, solo auch bei Grand Hotel van Cleef aktiv, haut stoisch auf die Pauke, während Honig zwischen Schöngesang und ein wenig Dreck im Refrain pendelt. Gerade diese leicht aggressive, fordernde, eindringliche Note macht den sprichwörtlichen Unterschied aus, verleiht diesem smarten Stückchen Singer/Songwriter-Pop Ecken und Kanten, dringend notwendige Konturen. Das falsche Ende stammt wohl aus der eigenen Rock-Erziehung, die Streicher aus leidenschaftlichen Folk-Untiefen.
Bereits vor diesem wahrlich großen Lied wird es eindrucksvoll: „Sleep Driver“ beginnt leise, beinahe unscheinbar, und arbeitet sich Stückchen für Stückchen dem großen Pop/Rock-Moment entgegen. Honigs Songs wachsen, so schlicht sie – oberflächlich betrachtet – auch wirken mögen. In „Hometowns“ stecken eine gefühlvolle Gitarrenmelodie und gesungene Frustration hinter einer dicken, britischen Piano-Melodie, auch das kurze Liedchen „Look What The Tide Brought In“ ist viel mehr als eine kurze akustische Exkursion. Irgendwo dazwischen steht das mächtige „The Morning Chorus“, eine mehr als fünf Minuten lange Entdeckungsreise mit einer beiläufig angeschlagenen E-Gitarre, die sich irgendwo zwischen „Check The Meaning“ und „Under The Bridge“ platziert.
Wenn im abschließenden „Horns“ – ach so gewitzt – eben solche auftreten, geleitet Stefan Honig gen sanften Abgang. „Empty Orchestra“ ist eine überaus smarte, eingängige Singer/Songwriter-Platte, die wesentlich mehr zu bieten hat, als man auf den ersten Eindruck wahrzunehmen glaubt. Hier legt sich Schicht auf Schicht, sorgen Nuancen in der Intonation für ein völlig neues Klangbild, wird Abwechslung groß geschrieben. Ein wenig fühlt man sich stellenweise an Hello Piedpiper erinnert; wie passend, dass die beiden erneut gemeinsam auf Tour gehen.
VÖ: 21.09.2012
Haldern Pop Recordings (Rough Trade Distribution)
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