Artificial Brothers – Make Our Hearts Sway
Schon wieder Dänemark, schon wieder faszinierende Musik. Es ist eine scheinbar unendliche Geschichte mit den hochgradig talentierten Musikern aus dem hohen Norden, die, wie in Wellen, immer und immer wieder gen Deutschland schwappen. Dieses Mal sind Artificial Brothers dran, ein Quintett aus Thisted, das sich „in einem düster-melancholischen Parallel-Universum inmitten der Grenzen des Alternative-Rock“ bewegt, wie es der beigepackte Pressetext so wunderbar auf den Punkt bringt. Für das Debütalbum „Make Our Hearts Sway“ verschanzte man sich im Vorjahr für ein halbes Jahr auf einem Bauernhof irgendwo im Nirgendwo. Die zehn Songs belegen, dass sich diese zurückgezogene Arbeitsweise gelohnt hat.
Es dauert knapp 50 Sekunden, bis aus dem Flüsterton des Openers „Redemption“ ein Song wird. Mathias Bertelsens eindringlicher, mit einer melancholischen Note unterlegter Gesang spielt sich irgendwo zwischen Chris Martin und, gerade im wuchtigen Refrain, James Graham von The Twilight Sad ab, mischt eine beginnende Depression mit einem schmalen Silberstreif am Horizont der Hoffnung. Dass die Band ein druckvolles Arrangement, dominiert von überaus prominenten Drums und einem stoisch angeschlagenen Piano, unter die Vocals legt, erweist sich als guter Schachzug. Fünfeinhalb Minuten lang schleichen die Dänen durch Kälte, Nässe und Nebel; der Weltuntergang scheint nur einen falschen Schritt entfernt zu sein.
Diese Prise Düsternis bleibt dem Album enthalten, bewegt sich stellenweise gen Post Punk mit Editors-Schlagseite („Spiders“), gibt sich in balladesken Momenten Britpop in Reinkultur hin („After The Ball Is Over“). Lichtere Augenblicke – man muss bei „Make Our Hearts Sway“ verschiedene Grau-Abstufungen (mit Sicherheit weniger als 50 davon…) verwenden, um das fehlende Sonnenlicht zu kaschieren – wie das bezaubernd fragile „Reign Over Me“ oder „Psychedelic Friend“ bleiben selten. Letzterer Track arbeitet zwar mit einschlägigen Interpol-Gitarren und einer verkappten Moll-Note im Refrain, tänzelt gelegentlich aber gar losgelöst, vorsichtig euphorisiert durch die Lande.
„Blindfold The Sun“ fasst die Ausrichtung der Dänen wohl am besten zusammen. Der end- und zeitlos anmutende Rausschmeißer baut rund um eine pseudo-geloopte Gitarren- und Pianospur auf, würzt Bertelsens Gesang mit der obligatorisch melancholischen Note und steigert sich zum Schluss hinaus in bester Mogwai-Manier, wird beinahe rockig und lässt einen weiteren kleinen Moment der Hoffnung aufkeimen, der binnen Sekunden erneut zerstört wird. Besagtes Wechselbad der Gefühle macht Artificial Brothers stark: „Make Our Hearts Sway“ ist eine nachdenkliche Herbstplatte, der Hypothermie nur mit größten Mühen entkommen, britisch geprägt, fragil, eindringlich, in raren Momenten sogar vorsichtig hoffnungsvoll. 44 Minuten legt sich ein nass-kalter Nebel über die Welt und reinigt die Seele von ungesunder, realitätsferner Euphorie.
VÖ: 21.09.2012
Für Records (Soulfood Music)
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