Chima – Stille

Chima

Mit seinen 39 Jahren ist der Deutsch-Nigerianer Chima bereits ein Veteran im Musikgeschäft. Seine ersten Gehversuche wagte er Mitte der 90er Jahre, gemeinsam mit den Geschwistern Aisha und Ismael Abdallah, als Teil der Rapgruppe Otropic T(h)ree, was sich jedoch als kommerzielle Bauchlandung erwies. Einer breiten Öffentlichkeit wurde Chima als Teil der Brothers Keepers bekannt, die 2000 mit „Adriano“ die Top 4 erreichten. Sämtliche Soloversuche in den nächsten Jahren, darunter die hervorragende Single „Wundervoll“, ein Soul-Electro-Pop-Hybrid, und das dazugehörige Album „Im Rahmen der Möglichkeiten“, floppten. Nach sechs Jahre Release-Auszeit geht es nun mit einem neuen Major-Vertrag und dem Album „Stille“ einer rosigen Zukunft entgegen.

Einen verheißungsvollen Auftakt liefert die Single „Morgen“, immerhin ein Top 30-Minihit. Als Soulelectro-Track zwischen Prokrastination und Hektik der Großstadt verschiebt Chima all das, was er heute besorgen könnte, sorgsam auf den nächsten Tag. Nur eine Tür weiter geht er jedwedes „Risiko“ ein, getragen von einem hibbeligen Electro-Pop-Arrangement mit Post-Rave-Sprengseln, die auch dem König gut zu Gesicht gestanden hätten – ein veritabler Kandidat für eine kommende Auskopplung. Das gilt auch für das flotte „Mariechen“, das beseelte Ray Charles-Pianoklänge mit verzerrten Gitarren, rasanten Drums und düsterer Grundstimmung paart. Der letzte Song des Abends wird gespielt und Chima bittet zum Tanz.

In der zweiten Albumhälfte punkten vor allem die ruhigeren, nachdenklichen Tracks. „Angst“ entpuppt sich als klaustrophober, zittriger Pop/Rock-Track, in dem der Protagonist kurz vor dem Kollaps steht, sein Leben wie ein Kartenhaus zusammenbrechen sieht. Der Titeltrack, ein weitestgehend akustischer Stream of Consciousness, wartet darauf, dass die Welt verstummt, sehnt sich nach dem Rückzug zu sich selbst. Wer es etwas lebendiger und konkreter mag, wird sich mit dem frankophilen Lovesong „Kleinigkeiten“ anfreunden, ein Duett mit der Sängerin Lary, sowie das tanzbare „Ausflug ins Blaue“, ein clubbiger Electro-Pop-Track, der durch melodramatische Streicher im Radiosektor gehalten wird.

Jenen Soul, der Chimas charismatischer Stimme inne wohnt, lässt er auf „Stille“ kaum heraus; im Gegenteil: hibbelige Elektronik, eine Prise Reggae, Club-Ausflüge und Melancholie geben sich die Klinke in die Hand. Wer „Wundervoll“ kennt, dürfte davon nur bedingt überrascht sein, der eine oder andere Ausflug gen Offensichtlichkeit hätte aber nicht weh getan. Vor allem aber kann, ja muss man „Stille“ entspannt von vorne bis hinten hören, um die verschiedenen Stimmungen des Protagonisten mit zu erleben, bevor er sich schließlich in seinen ganz persönlichen Phobien ergeht und auf Ruhe hofft. Diese wird man Chima jedoch kaum gewähren, schließlich wartet bereits die Repeat-Taste auf einen weiteren Durchlauf.

VÖ: 06.07.2012
Island Records (Universal Music)

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