Rumer – Boys Don’t Cry
Über Nacht wurde die heute 32jährige Sarah Joyce, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Rumer, im August 2010 zur neuen Hoffnungsträgerin für geschmackvollen Soul- und Jazz-Pop, als sie in ihrer britischen Heimat die Single „Slow“ veröffentlichte. Zwei Monate später (in Deutschland erst im Februar 2011) ging „Seasons Of My Soul“ erstmals über die Ladentische. Das Album schaffte es auf Platz 3 in UK (hierzulande ging es bis auf die #13) und hat mittlerweile Platinstatus erreicht. Für ihren Nachfolger hat sich Rumer eine ganz besondere Idee zurechtgelegt: Auf „Boys Don’t Cry“ covert sie bekannte und weniger bekannte Songs der 70er, die ausschließlich von Männern geschrieben und gesungen wurden.
Es ist das Gefühl des Openers „P.F. Sloan“, gleichzeitig auch als Single ausgekoppelt, mit dem Rumer binnen Sekunden für ihr zweites Album zu begeistern weiß. Die Geschichte über den gleichnamigen Songwriter, der Barry McGuires „Eve Of Destruction“ schrieb und den Grundriss des Riffs zu „California Dreaming“ von The Mamas & The Papas“ komponierte, danach aber sein Material selbst einsingen wollte, damit gnadenlos floppte und letztendlich in der Bedeutungslosigkeit versank, funktioniert in der locker poppigen Umsetzung mit einer Prise Jazz angereichert, bewegt ähnlich wie „Sara Smile“. Die Hall & Oates-Komposition, eines jener ultimativen Liebeslieder, das auch heute noch bei Hochzeiten und Geburtstagen rauf und runter gespielt wird, wirkt wieder lebendig, bekommt eben jenes Update, das schon so lange überfällig war.
Auch die eine oder andere Überraschung hat sich auf „Boys Don’t Cry“ verirrt. Gerade „Soulsville“ von Isaac Hayes – einer jener wenigen Vocal-Tracks auf dem Soundtrack zu „Shaft“, der die dunkle Schwere und Aussichtslosigkeit in Harlem beschreibt – wirkt nicht gerade sicher, ist zugleich auch die einzige gefährliche Stelle dieser Platte. Ansonsten verhebt sich Rumer keineswegs, ganz im Gegenteil: „Flyin‘ Shoes“, einer der besten Songs aus dem illustren Repertoire Townes Van Zandts, geht mit seinen spärlich eingesetzten Country-Elementen und den samtenen Backings unter die Haut. „Just For A Moment“, ein Track der Small Faces-Mitglieder Ron Wood und Ronnie Lane, ist bereits im Original eine Entdeckung, bekommt durch die Britin jedoch jenen „Raising Sand“-Anstrich, der die internationale Bedeutung dieser Ausnahmekünstlerin ins rechte Licht rückt.
„Boys Don’t Cry“ bewegt – auf diese simple und doch treffende Floskel lässt sich Rumers zweite Album reduzieren. Wüsste man es nicht besser, man würde über weite Strecken vermuten, dass es sich nicht um Cover-Versionen, sondern um eigene Songs der überaus talentierten Britin handelt. „Be Nice To Me“ oder „The Same Old Tears On A New Background“ hätten auch problemlos auf ihrem Debüt funktioniert, die dezenten Country-, Blues- und Singer/Songwriter-Einflüsse werten dieses ambitionierte Konzeptalbum auf. Tatsächlich wird den Stimmen des vermeintlich verschlossenen Geschlechts eine neue Ebene zugewiesen, sie sprechen nun mehr deutlicher, geradezu ehrlicher. Vor allem aber möchte man nun eines, nein, eigentlich zwei Dinge tun: „Seasons Of My Soul“ noch einmal ausgraben und nach den Originalen kramen, um längst vergessene Schätze wieder bzw. neu zu entdecken. Am besten mit der Special Edition von „Boys Don’t Cry“, die vier weitere Schätze zu bieten hat.
VÖ: 15.06.2012
Atlantic Records (Warner Music)
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