Linkin Park – Living Things

Linkin Park

Mit ihren mittlerweile 16 Jahren Bühnenerfahrung, weltweit über 50 Millionen verkauften Alben und zwei Grammy-Awards gehört die kalifornische Rockband Linkin Park zu den bekanntesten und bestverkaufenden Vertretern ihres Genres. Bedienten sie mit ihren ersten Meisterwerken „Hybrid Theory“ und „Meteora“ noch weitestgehend die Nu Metal-Fraktion, so haben sie sich spätestens seit ihrem 2007er Album „Minutes To Midnight“ dem sanfteren, radiotauglichen Poprock verschrieben. Trotz erneut bombastischen Verkaufszahlen stießen sie jedoch mit ihrer im Jahr 2010 veröffentlichten Platte „A Thousand Suns“ vor allem alteingesessene Fans vor den Kopf; waren hier doch Songs enthalten, die so gar nicht zum bekannten Soundschema der Band passten. Zwei Jahre später versuchen Linkin Park mit ihrem neuen Longplayer „Living Things“ Aufbauarbeit zu leisten, was ihnen auch ansatzweise wie in alten Zeiten gelingt.

Um es gleich vorwegzunehmen: Wer eine durchgehende Rückkehr zu ihren musikalischen Anfängen und Songs wie „Crawling“ oder „Faint“ erwartet, wird zumindest von der Hälfte des Albums bitter enttäuscht sein. Die Band präsentiert hier eine insgesamt gelungene Mixtur aus sämtlichen bislang verwendeten Stilrichtungen und hält sich dabei an das gewohnte Muster aus gerappten Strophen von Mike Shinoda sowie bekannt inbrünstigen Refrains von Chester Bennington. Besonders die eröffnenden Titel „Lost In The Echo“ und „In My Remains“ stellen Balsam auf die Seele vom Vorgänger geschundener Fans dar; ebenso fügt sich „Burn It Down“ als erste Singleauskopplung hervorragend in diese Reihe ein. Wem das alles noch ein wenig zu soft rüberkommt, den erwartet mit „Lies Greed Misery“ der erste größere Paukenschlag. Vollkommen unkonventioneller Chorus, glühende Gitarren und ein mit Brachialgewalt vorgetragenes Grande Finale: Dieser herrlich rotzige Track käme noch x-mal besser rüber, wäre er nicht schon nach knapp zweieinhalb Minuten wieder vorbei. Hier wurde leider reichlich Potenzial verschenkt.

Dass nicht immer nur die große Keule geschwungen werden muss, beweisen die Kalifornier mit der eingängigen Rockballade „I’ll Be Gone“, die, von vorne bis hinten hervorragend produziert, das unangefochtene Glanzstück der Platte widerspiegelt. Mit ebenfalls gehörig Ohrwurmpotenzial ausgestattet, ist das fast schon folkige „Castle Of Glass“, das jedoch aufgrund einer fehlenden Steigerung etwas monoton daherkommt und mit seinem Instrumental fast ein wenig an spannungsarme Reamonn-Produktionen erinnert. „Victimized“ kommt dann wieder aus der Kategorie „Da wäre mehr drin gewesen“: Weshalb man den mit Abstand härtesten, festivaltauglichsten und bandtypischsten Brecher des Longplayers auf gerade einmal 01:46 stutzt, wird wohl auf ewig ein Geheimnis der Produzenten bleiben. Somit dürfte hier wohl einzig die Repeat-Taste für ein wenig mehr Stimmung herhalten. Anschließend geht den restlichen Songs leicht die Puste aus. Während „Skin To Bone“ mit seinen verloren wirkenden Repetitionen atmosphärisch kaum zünden kann und das dünne Instrumental „Tinfoil“ sich auch so gar nicht in das restliche Schema einfügen will, schafft man ausgerechnet mit dem bezeichnenden „Powerless“ einen durchaus würdigen Rausschmeißer.

In der Gesamtheit wirft „Living Things“ mehr Fragen auf, als dass es selbige der erwartungsfreudigen Fans beantwortet. Nach einer qualitativ starken ersten Hälfte mit Bennington und Shinoda in Bestform setzt ungewöhnlicherweise ein schleichender Prozess der stellenweise auftretenden Belanglosigkeit ein. Größter Kritikpunkt dürften die ausgelassenen Möglichkeiten sein: Statt wirrer Mini-Songs, die zu einer Gesamtspieldauer von nicht einmal 37 Minuten bei zwölf Titeln führen wären die Anhänger mit einer konsequenteren Umsetzung von „Victimized“ oder „Lies Greed Misery“ und einer gleichzeitigen Reduzierung um ein bis zwei Songs höchstwahrscheinlich zufriedener gewesen. Deutlich positiv zugute halten sollte man Linkin Park jedoch, dass sich ihre Musik seit Karrierebeginn in einem stetigen Wandel befindet und vor allem nach einer kurzen Eingewöhnungszeit meistens immer zu überzeugen weiß. Selbst beim Vorgänger „A Thousand Suns“ wurden manche Perlen erst verhältnismäßig spät entdeckt. Es steht zu hoffen, dass dieser Effekt auch beim aktuellen Album eintreten wird.

VÖ: 22.06.2012
Warner Bros. Records (Warner Music)

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