Ultravox – Brilliant
2008 staunten viele 80er-Fans nicht schlecht – Ultravox, eine der wichtigsten Bands des Jahrzehnts, die den klassischen New Wave-Sound entscheidend mitgeprägt hatte, fand sich für eine groß angekündigte Reunion-Tournee zusammen. Zwar ohne den legendären John Foxx, dafür aber in der klassischen Bandkonstellation der Jahre ’79 bis ’86. Midge Ure, Chris Cross, Billy Currie, Warren Cann – in genau dieser Zusammensetzung entstanden auch die größten Hits der Band, wie „Vienna“, „All Stood Still“, „Hymn“ und „Dancing With Tears In My Eyes“. Bedauernswerterweise gab es trotz der Reunion – von einem Live-Album mal abgesehen – keinerlei neues Material der Band zu hören. Umso heißer wird „Brilliant“, das erste richtige Ultravox-Album seit 28 Jahren (wenn man den Ausrutscher „U-Vox“ und die Pseudo-Phase der 90er Jahre mal ausblendet), von den Fans erwartet.
Glücklicherweise war die lange Wartezeit nicht umsonst. Obwohl sich Ultravox durch und durch an ihrer eigenen Vergangenheit orientieren, klingen sie auf dem zwölf Songs umfassenden Werk so frisch wie schon lange nicht mehr. Musikalisch setzen sie genau da an, wo die klassische Bandkonstellation Mitte der 80er Jahre aufgehört hat zu existieren. Fast scheint es, als habe es „U-Vox“ und alle folgenden Veröffentlichungen nie gegeben. Die Band orientiert sich auf „Brilliant“ ganz eindeutig am genialen 1984er-Album „Lament“. Gleich der energiegeladene Opener „Live“ weckt wehmütige Erinnerungen an „Dancing With Tears In My Eyes“. Auch bei den folgenden Songs hat man durchweg das Gefühl, als sei die Zeit stehen geblieben.
Unter den vielen Highlights der Scheibe finden sich beispielsweise der vorab veröffentlichte Titelsong „Brilliant“, das für Ultravox-Verhältnisse regelrecht peppige „Rise“, die schwermütige Ballade „Remembering“, das geradezu bezaubernde „Lie“ sowie die anfangs etwas sperrige, nichtsdestotrotz aber gelungene Abschlussballade „Contact“. Alle genannten Songs werden jedoch von „Hello“, einem über fünf Minuten langen, angenehm melancholischen Wave-Ohrwurm, übertroffen. Ausfälle sind auf der anderen Seite gar nicht zu verzeichnen, lediglich „Change“ und „Fall“ lassen sich als Füllnummern identifizieren, sind qualitativ aber immer noch im Mittelmaß angesiedelt.
Alles perfekt also im Hause Ultravox? Nicht ganz, denn Midge Ures Gesangsorgan hat mit den Jahren doch etwas an Ausdruckskraft und Volumen verloren. Dies ist letzten Endes auch der einzige Grund, weshalb „Brilliant“ knapp an der Höchstnote vorbeischrammt. Die Songs selbst übertreffen qualitativ dagegen selbst höchste Erwartungen. Damit liefern Ultravox das beste Comeback einer 80er-Band seit Jahren ab. Selbst die geniale OMD-Scheibe „History Of Modern“ stellen sie locker in den Schatten. Wenn die Band ab September wieder auf Tour geht, werden sich viele der neuen Songs perfekt in die Setlist einreihen lassen und tatsächlich mit den alten Klassikern mithalten können. „Brilliant“ ist, abschließend gesagt, der perfekte Name für das Album, denn das darauf gebotene Qualitätsniveau haben Ultravox in ihrer langen Karriere höchstens noch auf „Systems Of Romance“, „Vienna“ und „Lament“ geboten.
VÖ: 25.05.2012
EMI Music
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Mich konnten die Hörproben schon überzeugen. Hab mich wohl laut dem dem Autor des Artikels auch nicht verhört. Das Ganze klingt retro, aber doch nicht altbacken. Freu mich schon auf den Albumkauf…
Sehr guter Artikel. Ein super Album!
Wobei ich bei einer Sache nicht zustimmen kann:
Change und Fall sind absolut tolle Songs.
Wenn Sie auch etwas von dem U-VOX Stil abweichen so gehören diese beiden Songs trotzdem mit zu meinem Favoriten des Albums. Absolute Kaufempfehlung