Cold Specks – I Predict A Graceful Expulsion
Als der mit vier Grammys ausgezeichnete Produzent Jim Anderson auf einem Tape, das sein jüngerer Bruder besaß, die Stimme von Al Spx – ein Bühnenname, den die Kanadierin (vergeblich) wählte, damit ihre streng religiösen Eltern nichts von ihrer musikalischen Nebenbeschäftigung erfahren würden – hörte, überredete er sie, nach Großbritannien zu kommen, um mit ihr an Songs zu arbeiten. Für Spx, die mittlerweile mit Band als Cold Specks auftritt, eine ganz spezielle Erfahrung, hatte sie sich doch alles, was sie über das Singen wusste, selbst beigebracht und noch nie mit anderen Musikern zusammengearbeitet. Nach und nach kam man auf einen gemeinsamen Nenner, der auf den Namen „I Predict A Peaceful Expulsion“ hört und düsteren Soul mit Gothic- und Gospel-Elementen verbindet.
Stimmlich begeistert die Kanadierin mit Soul- und Gospel-Schwere, die direkt aus dem Süden der USA zu stammen scheint. Nicht zu rauchig und zu verwegen, aber auch nicht zu klar und gläsern tankt sie sich durch elf feinfühlige Songs, die vor allem von einer gewissen Düsternis leben, einer Aura von Schwermut und Melancholie. Was von Spx ursprünglich scherzhaft als ‚Doom Soul‘ bezeichnet wurde, ist als musikalische Überschrift nicht einmal so abwegig, wenn sie in „Elephant Head“, aus dem der Albumtitel stammt, eine Art beseelte Zola Jesus gibt, getragen von einer Akustik-Gitarre und atmosphärisch-bleiernen Samples. Als Weltschmerz-Alternative zu Michael Kiwanuka trägt sie einen Hauch von Blues durch ihren kanadisch-britischen Südstaaten-Mikrokosmos.
In all ihrer Ruhe und Unaufgeregtheit feuert Al Spx eine ganze Menge Hits ab. „Holland“, weitestgehend akustisch und spartanisch instrumentiert, bevor wuchtige Drums das Kommando übernehmen, geht direkt unter die Haut, erinnert an Anna Calvi. Für die aktuelle Single „Blank Maps“ gibt es sogar einen Hauch von Reibeisen zu hören, einmal mehr von stylishem Understatement gestützt. In „Heavy Hands“ verirrt sich die Kanadierin in eine Art Echo-Kammer, während „Winter Solstice“ in punkto Intensität und souliger Unverblümtheit sogar einer Adele Konkurrenz macht. Und dann ist da noch „Lay Me Down“, ein klassische Gospel-Song zum Abschluss. „Lay me down“ wiederholt Spx immer und immer wieder, während schaurig-schöne Gitarrenklänge eine Sonnenfinsternis heraufbeschwören.
Magisch von vorne bis hinten, auf diese einfache Formel lässt sich „I Predict A Graceful Expulsion“ reduzieren, obendrein ein formidabel gewählter Albumtitel. Das Cold Specks-Debüt brennt immer und immer weiter, ohne jedoch rau, unangebracht laut oder gar stillos zu klingen. Mit kleinen Gesten und großer Stimme punktet das Duo Jim Anderson / Al Spx 37 Minuten lang und scheint drauf und dran zu sein, die Kanadierin als Southern Soul-Antwort auf den Goth-Habitus von Nick Cave zu etablieren. Diese elf Songs kommen musikalischer Perfektion bedrohlich nahe, rücken eine einzigartige, an diverse Soul-Größen erinnernde Stimme in den Mittelpunkt, und schaffen durch schlichte, zweckdienliche, zumeist gespenstische Arrangements eine gleichermaßen bedrückende wie befreiende Atmosphäre, die ihresgleichen sucht. Eines der besten Debüts des Jahres, hands down.
VÖ: 18.05.2012
Mute (GoodToGo)
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