Rebecca Ferguson – Heaven
Mit Casting-Shows ist es so eine Sache. Wenn man nicht gerade darauf aus ist, ein gänzlich austauschbares Produkt zu finden, ist es für talentierte Teilnehmer schwer, sich langfristig zu etablieren, wie man aktuell beispielsweise an Leona Lewis sieht. Rebecca Ferguson war in der siebten UK-Staffel von „The X Factor“ die mit Abstand beste Sängerin, belegte schlussendlich Platz 2 hinter Matt Cardle (wer?) und nahm sich für ihr Debütalbum ein Jahr Zeit. Anstatt fix und fertige Songs einzusingen, schrieb sie die zehn Tracks auf „Heaven“ selbst, gemeinsam mit Eg White, Fraser T. Smith und Claude Kelly. In der Heimat schaffte es Ferguson mit ihrem Erstlingswerk auf die #3, nun soll es auch in Deutschland klappen.
Angesichts Fergusons rauchiger, souliger Stimme verwundert es kaum, dass Adele, Paloma Faith und Amy Winehouse zu ihren Fans zählen bzw. zählten und mit der zweifachen Mutter aus Liverpool zusammenarbeiten wollten. Die 25jährige versteht es erschreckend perfekt, Emotionen authentisch in ihre Musik zu transportieren, wobei es natürlich geholfen hat, dass sie ihr Material selbst schrieb. „Nothing’s Real But Love“, die erste Single, kommt beispielsweise zur Erkenntnis, dass Reichtum nicht glücklich macht. Selbst ein mittlerweile gefüllter Kühlschrank und die gesicherte Stromversorgung können Liebe nicht ersetzen, wie Ferguson feststellen musste. Im leidenschaftlichen, von mächtigen Drums getragenen Refrain besingt sie die Macht der Gefühlswelt zu semi-balladesken Soul-Klängen.
Am wohlsten fühlt sich die Britin hörbar in balladesken Gefilden, beispielsweise im fragilen „Teach Me How To Be Loved“, die klassische Pop-Ballade dieses Albums, und dem kratzigen „Shoulder To Shoulder“ mit einer zeitlosen Soul-Melodie, die locker 50 Jahre auf dem Buckel haben könnte. Eine waschechte Überraschung ist hingegen „Run Free“. Rebecca Ferguson entdeckt Disco-Klänge für sich, spielt mit „Saturday Night Fever“ und Gloria Gaynor, getragen von einem fantastischen Refrain. Auch das überaus authentisch produzierte Retro-Wundertütchen „Fairytale (Let Me Live My Life This Way)“ und das stellenweise an die Jackson 5 erinnernde „Mr Bright Eyes“ gehören ganz klar auf die Haben-Seite.
Einzig im Midtempo-Bereich ist „Heaven“ noch ausbaufähig. Songs wie „Glitter & Gold“ und „Fighting Suspicions“ sind zwar überaus sympathische Albumtracks, lassen jedoch noch ein wenig eigene Identität vermissen. Freilich steht Rebecca Ferguson erst am Anfang ihrer Karriere als Sängerin und Songwriterin, weswegen ihr Debütalbum mehr als nur beeindruckend ausgefallen ist. Im Prinzip macht die Britin der deutschen „The Voice“-Gewinnern Ivy Quainoo vor, wie man mit einer gutem Stimme möglichst gut umgeht. Quainoo hat ähnliches Potential, musikalisch jedoch noch Luft nach oben, gerade was Songwriting und Zusammenstellung des Albums betrifft. Der Ferguson’sche Weg würde ihr stehen, die junge Dame aus Liverpool könnte ihr sicher die richtigen Songs auf den Leib schreiben. „Heaven“ macht Laune, überzeugt vor allem in seinen balladesken Momenten und lässt auf eine lange Karriere einer unheimlich talentierten Frau, die mit dem klassischen Casting-Stigma nichts zu tun hat, hoffen.
VÖ: 06.04.2012
RCA Records (Sony Music)
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