Nigel Wright – Millfoil
Direkt aus den Blue Ridge Mountains landet Nigel Wright nun auch auf dem europäischen Festland mit seinem erdigen Singer/Songwriter-Sound. Das klingt nun alles andere als speziell – bis man sich vergegenwärtigt, dass der US-Amerikaner gerade mal 18 Jahre alt ist und bei den Homerecordings zu seinem Debütalbum „Millfoil“ gerade einmal 16 war. Mit Butterfly Collectors als patentem Partner erfährt die Platte mit zweijähriger Verzögerung den längst überfälligen Deutschland-Release, wobei sich alleine schon beim Blick auf die zarten Lenze des Musikers eine Frage aufdrängt: Ist das hier der potentielle Boy-Wonder-Nachfolger von Conor Oberst?
Bereits die tiefe, leicht zerknitterte Stimme mit José González-Einschlag führt die Altersfrage komplett ad absurdum. Das hier soll wirklich ein Teenager sein? Ein Song wie der Opener „Advance“ könnten viele gestandene Musiker nicht schreiben, wobei der Reiz vor allem im unorthodoxen Arrangement liegt. Was wie ein simpler Acoustic-Track beginnt mit herrlich distanzierter Positionierung der Stimme und interessanten Laut-Leise-Effekten, entwickelt sich mit fortlaufender Spieldauer zu einem Manifest an den Goldenen Schnitt, überrascht mit dezent eingesetzten, stark verzerrten E-Gitarren, einem Hauch von Klavier-Unterstützung und minimalen Post-Grunge-Elementen, die herrlich mit dem ungestümen, viel zu schnellen Gitarrenspiel kurz vor dem großen Zusammenbruch kollidieren.
„Millfoil“ trumpft vor allem mit unkonventionellem Songwriting auf. Wright experimentiert mit Songstrukturen, bricht mit althergebrachten Konventionen und erarbeitet sich den Singer/Songwriter-Mythos neu. „Side Effects“ als zwei Minuten langes Quasi-Instrumentalstück klingt wie ein generischer Acoustic-Track, bis kurze, hohe Chöre Vocalspuren nach Island zerren. „Upside“ erinnert tatsächlich an die Bright Eyes-Anfangszeiten, legt den Fokus auf bedeutungsschwangere Vocals und unheimlich viel Gefühl in den Stimmbändern. Auf halber Höhe zieht sich „The Retreat“ in die Untiefen der menschlichen Seele zurück und hüllt sich in einen schützenden Kokon ein. Melodiefetzen dringen gelegentlich durch, die Flucht vor sich selbst ist beschlossene Sache.
Tatsächlich hat man es hier mit so etwas wie einem Wunderkind zu tun. Es ist kaum zu glauben – man muss es sich erneut vor Augen halten, um es glauben zu können – dass Nigel Wright bei den Aufnahmen zu „Millfoil“ gerade einmal 16 Jahre alt war. Das Songwriting wirkt spannend, stimmlich ist der Teenager seiner Generation um Welten voraus und auch auf textlicher Ebene lässt sich einiges entdecken. Zwei Wochen zuvor ist mit „Anna“ bereits die erste Single aus dem Nachfolger zu „Millfoil“, der für Herbst 2012 geplant ist, erschienen. Es könnte also sein, dass sich Wright noch in diesem Jahr selbst schlägt. Zuzutrauen ist es ihm.
VÖ: 30.03.2012
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