Professor Green – At Your Inconvenience
Während Professor Green in seiner britischen Heimat bereits zu Beginn seiner Karriere große Erfolge einfahren konnte – das Album „Alive Till I’m Dead“ schaffte es auf die #2, die Single „I Need You Tonight“ auf die #3 – ging es hierzulande nicht ohne Anlaufschwierigkeiten vor sich. Erst mit „Read All About It“, Greens erster UK-#1, gelang über Downloads ein Einstieg in die Top 80, die erste deutsche Chartplatzierung für den Rapper. Das dazugehörige Album „At Your Inconvenience“ kommt mit Verkäufen im sechsstelligen Bereich, einer Gold-Auszeichnung und der beinahe obligatorischen dreimonatigen Verzögerung von der Insel. Darauf macht es Green weder sich noch seinen Fans einfach.
Professor Green wuchs, so in besagtem „Read All About It“, ohne seinen mittlerweile verstorbenen Vater auf und verspricht den Kindern, die er noch nicht hat, ihnen würde es besser gehen. Gerade durch den großen, stadionartigen Refrain Emeli Sandés wird aus einem schmerzvollen, autobiographischen Raptrack ein Crossover-Hit. „Avalon“ riecht nach einem perfekten Follow-Up, gerade was den Gesang von VersaEmerge-Frontfrau Sierra Kusterbeck betrifft. Dieses Hineinschnuppern in den Rock-Bereich erinnert ein wenig an das „Airplanes“-Rezept von B.o.B und Hayley Williams. „Astronaut“, abermals mit Vocals von Sandé, bewegt sich thematisch in Richtung Cluesos „Chicago“. Die fragile Ballade über ein junges Mädchen, das ihrer Heroin-Sucht zum Opfer fällt, beruht ebenfalls auf einer wahren Begebenheit.
Natürlich fehlen auf „At Your Inconvenience“ auch die bissigen, leicht schrägen Songs nicht, die in der Vergangenheit den einen oder anderen Eminem-Vergleich heraufbeschworen haben. Der Titeltrack rechnet mit Kritikern ab und wagt Seitenhiebe auf osteuropäische Dance-Mucke und Bruno Mars. „D.P.M.O.“ (aka „Don’t Piss Me Off“) schießt auf JLS und „Doll“ rechnet mit der Medienwelt auf, während „Into The Ground“ an Greens Anfänge als Battle-Rapper erinnert. Gewöhnungsbedürftig: „Spinning Out“, in dessen Refrain der britische Singer/Songwriter Fink „Where Is My Mind?“ von den Pixies anstimmt. Auch das bekannte Gitarrenriff wird verwurstet – es fehlen schlagkräftige Lyrics, um dieses Experiment wie eine gute Idee klingen zu lassen.
„At Your Inconvenience“ ist ein gutes Rap-Album, dem für höhere Weihen ein gewisser roter Faden fehlt. Tracks wie „Astronaut“ und „D.P.M.O.“ auf ein und dieselbe Platte zu packen, funktioniert nicht so recht, der Spagat wirkt zu breit, gerade auf der inhaltlichen Ebene. Professor Green lebt auf seinem zweiten Longplayer von Widersprüchen und lässt an manchen Stellen eine gewisse Konsequenz vermissen, auch wenn das balladeske Hitmaterial freilich in die Charts muss. Am besten ist der Brite immer dann, wenn er den goldenen Mittelweg wählt – siehe der Drum’n’Bass-Ausflug „Trouble“, das tanzbare „Remedy“ oder das betont verstörende „How Many Moons“. „At Your Inconvenience“ entpuppt sich somit als sympathische Platte, die mit mehr Fokus und Linie problemlos an „Alive Till I’m Dead“ hätte herankommen können. In punkto Flow und Störrigkeit kann Green sowieso kaum einer das Wasser reichen.
VÖ: 27.01.2012
Virgin Records (EMI Music)
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