Volbeat – Live From Beyond Hell/Above Heaven
Vor ziemlich genau 13 Monaten präsentierten die Big Four des Thrash Metal ein gemeinsames Bild- und Ton-Dokument der Extraklasse, bei der sich eine entscheidende Frage aufdrängte: Wer zum Henker soll die Stadien dieser Welt füllen, wenn Metallica, Slayer, Megadeth und Anthrax in Rente gehen? Bullet For My Valentine sind mögliche Kandidaten, eventuell Trivium und vielleicht sogar Machine Head, wobei letztere schon im gesetzten Alter sind. Seit ihrem dritten Album „Guitar Gangsters & Cadillac Blood“ muss man wohl auch die Dänen Volbeat hinzuzählen, die mit ihrem ganz eigenen Sound zwischen bissigem Metal, biergetränktem Rock und 50s- / 60s-Klängen rund um die Welt sämtliche Hallen ausverkaufen. Als Nachfolger für die etwas verwackelte DVD „Sold Out!“, aufgenommen vor dem großen Durchbruch, zeugt nun „Live From Beyond Hell/Above Heaven“ als Doppel-DVD, CD und Blu-Ray vom Konzerterlebnis in XL.
Herzstück der ersten DVD ist ein gigantisches Konzert im Forum Kopenhagen vor 10.000 Zuschauern zum aktuellen Album „Beyond Hell/Above Heaven“. Wenn nach der ersten halben Minute von „The Mirror And The Ripper“ der Vorhang fällt und die Band zu sehen ist, tickt die Menge aus. Selbst Frontmann Michael Poulsen ist die Begeisterung ins Gesicht geschrieben, während die ersten Hits angespielt werden: „Maybellene I Hofteholder“, eine herrliche Version von „16 Dollars“ mit echtem Doublebass und das bissige „Guitar Gangsters & Cadillac Blood“ vom gleichnamigen Album. Auch Live-Favoriten wie „Pool Of Booze, Booze, Booza/Boa“ und das unkaputtbare „Sad Man’s Tongue“ dürfen nicht fehlen. Letzteres widmet Poulsen dieses Mal nicht nur Johnny Cash, sondern auch dem verstorbenen Ronnie James Dio, kurzer „Holy Diver“-Jam inklusive.
Für den speziellen Anlass eines Riesenkonzerts vor heimischen Publikum haben sich Volbeat nicht lumpen lassen und eine Armada an Gästen eingeladen. Die fiesen Growls in „Evelyn“ liefert ein sichtlich angeheiterter, knuffiger LG Petrov als Vertretung für den verhinderten Napalm Death-Frontmann Barney Greenway. In „Mary Ann’s Place“ marschiert Pernille Rosendahl von The Storm auf die Bühne, versemmelt ihren Einsatz, fängt sich aber schnell und gibt den charmanten Gegenpart zu Poulsen. Ebenfalls ein großes Highlight: Johan Olsen von Magtens Korridorer intoniert ein großartiges „The Garden’s Tale“, die vielleicht beste Darbietung dieses Silberlings. Für „7 Shots“ schnallt sich der legendäre Mercyful Fate- und King Diamond-Gitarrist Michael Denner seinen Sechssaiter um, während Mille von Kreator ein wenig verloren wirkt auf der großen Bühne – sein Auftritt geht ein wenig unter. Ebenso eher verzichtbar, wenn auch zumindest witzig: Der boxende Tanzbär Mikkel Kessler, der in der für ihn komponierten Einlaufhymne „A Warrior’s Call“ das Kampfesgeschrei intoniert. Viel amüsanter ist es jedoch, ihn vor dem Auftritt nervös hinter der Bühne zu sehen.
Routine und dezentes Chaos durchziehen das Finale. Zunächst stimmt Michael Poulsen „Fallen“ für seinen verstorbenen Vater an – ein emotionaler Moment, der Fans und Frontmann gleichermaßen zu bewegen scheint; großartiger Gänsehautmoment. Für „Thanks“, eine Hymne an die Fans, holen Volbeat Contest-Gewinner und Teile des Publikums auf die Bühne als Verstärkung. Natürlich wird schief mitgesungen, natürlich werden die Handykameras gezückt – all das wird jedoch von einem blonden Knirps in Adidas-Jacke übertroffen, der sich auf den Steg wagt und den Bez mimt. So funktioniert Entertainment in Dänemark, um die Zukunft muss man sich in Kopenhagen keine Sorgen machen. Beim finalen „The Human Instrument“ will eigentlich niemand gehen. Fette Riffs, bissige Drums und ein kleiner „Raining Blood“-Jam sorgen für ein krachendes Finale, auch wenn sich die Gitarrenfront ein wenig verzettelt. Genau diese Spontanität und der gleichzeitige Mut zu Schönheitsfehlern macht Volbeat erst so sympathisch.
Auf der zweiten DVD mit kürzeren Konzertausschnitten demonstrieren Volbeat eindrucksvoll, dass sie mit jeder Publikumsgröße umgehen können. 1.000 Leute in Anaheim verwandeln einen kleinen Club in einen einzigen Pit, während die Dänen Hits der Marke „Hallelujah Goat“, „Radio Goat“ und „Mr. & Mrs. Ness“ in die Menge feuern. Auch zwei Coverversionen mit Gastauftritten gibt es zu sehen. Für „Angelfuck“ von den Misfits tritt Anthrax-Gitarrist Rob Caggiano auf die Bühne und zockt die kleinen Soli. Michael Poulsens Aussage, so würde ein echter Gitarrist klingen, wirkt nach der kürzlich bekanntgegebenen Trennung von Thomas Bredahl überaus bittersüß. Kurz darauf steigt für „I Only Wanna Be With You“ von Dusty Springfield ein ebenso energiegeladener Scott Ian auf die Bühne. Die drei Songs des großen Rock am Ring-Auftritts kennt man bereits von den anderen beiden Konzerten, wobei die schiere Menschenmenge eindrucksvoll wirkt, gerade beim Einklatschen von „Still Counting“. Einzig die kurzen Backstage-Einblicke „Beyond The Scenes“ mit Gästen und Crew hätte man sich sparen können, hier gibt es zumindest nichts Neues oder gar Weltbewegendes.
Wer sich die Limited Edition besorgt oder nur die Musik an sich will, ist mit der dazugehörigen Live-CD bestens bedient, die mit über 78 Minuten Spielzeit noch dazu gerammelt voll ist. 15 der 19 Songs des Kopenhagener-Konzerts sind darauf zu hören, dazu drei Exzerpte des Anaheim-Auftritts. Schade ist eigentlich nur das Fehlen von „Guitar Gangsters & Cadillac Blood“, ansonsten geht die Auswahl in Ordnung. So gibt es bei „Evelyn“ beispielsweise keinen tapsigen LG Petrov zu sehen, sondern nur seine überirdischen Growls zu hören. Ob der Song ohne diese unfreiwillige Komik besser oder schlechter wird, muss man wohl für sich selbst entscheiden. Die Produktion ist mächtig, das Publikum gut zu hören und gerade die drei Songs aus dem House of Blues zum Schluss machen Laune. Michael Poulsens fiese Growls und Brees in „I Only Wanna Be With You“ gehen durch Mark und Bein – hier scheint die Death Metal-Vergangenheit des charismatischen Frontmanns durch. Ebenso amtlich: Auf ein Großteil der Ansagen wurde verzichtet, was gerade beim Kopenhagener Gig Sinn macht – Dänisch ist nun alles andere als eine Weltsprache, auf DVD helfen die Untertitel ungemein.
„Live From Beyond Hell/Above Heaven“ ist so etwas wie das Rundum-Sorglos-Paket für Rock- und Metal-Fans, dessen kleine Makel – gelegentlich stockende Kameraführung und dezent sinnfreies Backstage-Segment – man beruhigt ignorieren kann. Die DVDs sind bildgewaltig, gerade das Kopenhagener Konzert eine eindrucksvolle Machtdemonstration mit guter Setlist und kultigen Momenten (LG Petrov und der Adidas-Junge sind die Stars der Live-Action), dazu ein herrlich verschwitzter Gig im House of Blues. Auch die CD macht Laune, lässt in punkto Songauswahl kaum Wünsche offen und ist überdies verdammt fett produziert. Volbeat liefern nicht nur ein Dankeschön an ihre Fans und sämtliche Daheimgebliebenen, sondern überdies das perfekte Weihnachtsgeschenk für Freunde härterer Klänge. Mehr Live-Atmosphäre in den heimischen vier Wänden geht kaum – uneingeschränkt empfehlenswerte Tonträger, in bester dänischer Feinarbeit mundgeblasen und handgeklöppelt.
VÖ: 25.11.2011
Vertigo Berlin (Universal Music)
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