Tony McCarroll – Die Wahrheit über Oasis: Mein Leben als Drummer von Oasis

Tony McCarroll - Die Wahrheit über Oasis

Die großen Zeiten des Britpop sind längst vorbei, die Protagonisten in alle Winde verstreut. Blur gibt es zwar rein theoretisch noch – mittlerweile sogar in Originalbesetzung – doch abgesehen von einem exklusiven Track für den Record Store Day hat der letzte Studio-Output bereits ganze acht Jahre am Buckel. Oasis hingegen haben sich vor zwei Jahren aufgelöst. Noel Gallagher veröffentlichte kurz ein Album mit den High Flying Birds, während Liam Gallagher, Gem Archer und Andy Bell Beady Eye gründeten. Kaum vorstellbar, dass letztere einst die gefährlichste Band Großbritanniens war. Ex-Drummer und Gründungsmitglied Tony McCarroll wagt in „Die Wahrheit über Oasis: Mein Leben als Drummer von Oasis“ nun einen Rückblick auf die bewegten Anfangstage.

Tony McCarroll war Teil von The Rain, dem Vorläufer von Oasis, spielte das legendäre Debütalbum „Definitely Maybe“ ein und tourte um die Welt, bevor er im April 1995 gefeuert wurde. Hieß es zunächst noch, er hätte sich vor einem Auftritt in Paris eine heftige Auseinandersetzung mit Liam Gallagher geliefert, wurde später behauptet, sein Drumming wäre zu schwach für die neuen Songs gewesen. Letzteres wurmt McCarroll auch heute noch, wie er einräumt, und zitiert verschiedene Artikel, Produzenten und Mit-Musiker, die ihn als wichtigen Bestandteil, ja sogar als treibenden Motor von Oasis bezeichneten. Der wahre Grund für seinen unfreiwilligen Abgang liegt aber in einer Auseinandersetzung mit Noel Gallagher (nicht Liam, wohlgemerkt) in Paris, provoziert durch die herrische Art des selbsterklärten Bandchefs. Dass der Frontmann der High Flying Birds in „Die Wahrheit über Oasis“ alles andere als gut wegkommt, versteht sich von selbst.

Auch wenn es nach schmutziger Wäsche klingt, so ist Tony McCarroll alles andere als ein Nachtreter. Dazu passt auch der Anhang, in dem er nach Spartanern (Freunden) und Nicht-Spartaners unterteilt, wobei unter letztere Kategorie neben Noel Gallagher – ein netter Junge, der durch Kokain und Größenwahn zum Tyrann mutiert ist; ein drastisches wie auch verhältnismäßig sachlich, beinahe humorvoll gezeichnetes Bild des Leaders – auch Ex-Bassist Paul McGuigan fällt, den man als notorischen Ja-Sager kennen lernt. Ansonsten scheint McCarroll viele Freunde gemacht zu haben, was auch zur Schilderung seiner jungen Jahre, d.h. seiner Kindheit und Jugend zwischen Manchester und Irland, passt. Gewalt und Hoffnungslosigkeit sind spürbar, die Generation X sucht den Weg von der Straße durch die Musik. Man erfährt natürlich ausreichend über die Gallagher-Brüder, speziell was deren Schüchternheit und Wankelmütigkeit zu Beginn betrifft, gepaart mit der Gefährlichkeit der Auftritte und dem Auftreten von Alan McGee.

Besonders interessant sind jedoch die Geschichten über die Jugendfreunde, eine illustre Armada an Wahnsinnigen und charmanten Figuren zwischen vermeintlichem Bully und zündelndem Tramp. Besonders charmant: Im Anhang erfährt man, was mit all den liebgewonnen Figuren geschehen ist. Tatsächlich fühlen sich manche Episoden aus McCarrolls Leben romanhaft an, während gerade das Tourleben mit Oasis zu den ersten Releases – tagebuchartig dargestellt – den Ex-Drummer als ‚one of them‘ darstellt, sprich eine einfache Figur aus dem Volk, die schreibt, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Entsprechend authentisch wirkt „Die Wahrheit über Oasis“ zu jeder Zeit. Man fiebert förmlich mit ihm mit, als sich die Schlinge von Noel Gallaghers Übellaunigkeit mehr und mehr um McCarrolls Nacken zusammenzieht. Verhältnismäßig kurz wird das Leben danach abgehandelt, selbst dem Rechtsstreit werden nur wenige Seiten zugewiesen. Zwar liegt der Fokus der Autobiographie auf die Zeit bei Oasis, aber angesichts der ausführlichen Schilderung der Kindheit wäre hier mehr gegangen, zumal das Buch bei 224 Seiten – 24 Fotoseiten und ein Gigregister inklusive – relativ kurz ausgefallen ist.

Sieht man von der Knappheit gegen Ende und dem etwas augenunfreundlichen Druck und Format ab, ist „Die Wahrheit über Oasis: Mein Leben als Drummer von Oasis“ überaus lesenswert ausgefallen. Dank authentischer Sprache und unverblümter, unbeschönigter Darstellung sämtlicher Episoden aus McCarrolls Leben wird man regelrecht mitgerissen, fiebert mit ihm mit, sympathisiert mit gewissen Figuren. Oasis-Fans dürfen hier bedenkenlos zugreifen, ebenso Britpop-Freunde und Liebhaber der Szene von Manchester. Besonders angenehm ist hieran, dass es keinen Rundumschlag gibt. Selbst die kritisierten Nicht-Spartaner werden differenziert dargestellt, positive Charakterzüge werden hervorgehoben, ehrliche Kommentar ohne Ironie wiedergegeben. Tony McCarroll wollte seine Sicht der Dinge schildern und mit einigen Gerüchten aufräumen. Das ist ihm mehr als nur gelungen.

VÖ: 02.12.2011
I.P. Verlag
224 Seiten, 24 Fotos

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