Michael Kiwanuka – Tell Me A Tale / I’m Getting Ready

Michael Kiwanuka

Kaum veröffentlicht die BBC ihre Longlist zur kommenden „Sound of…“-Ausgabe, dreht sich die Veröffentlichungsspirale in Windeseile. Das betrifft auch Michael Kiwanuka aus London, der sich unter den 15 nominierten Acts befindet, unter denen am 6. Januar die fünf größten Hoffnungen für 2012 ausgewählt werden. Kiwanuka bedient die Retro-Soul- und Blues-Schiene, erinnert an Otis Redding und Bill Withers, lässt sich am ehesten mit Aloe Blacc und Raphael Saadiq vergleichen. Sein Debütalbum „Home Again“ erscheint erst am 23. März, dafür gibt es die beiden EPs „Tell Me A Tale“ und „I’m Getting Ready“ nun als digitale Re-Releases, wohl auch um ein wenig vom BBC-Hype zu profitieren.

„Tell Me A Tale“ eröffnet die gleichnamige EP mit einer butterweichen Soul- / Blues-Melange, die in dieser Form auch vor 50-60 Jahren problemlos hätte veröffentlicht werden können. Kiwanukas warme, eindringliche und doch zarte Stimme passt perfekt zu den verträumten Strophen und den in weiterer Folge hinzukommenden Blechbläsern, die dem Track einen leichten Swing- und Soundtrack-Anstrich verleihen – bereits jetzt ein moderner Klassiker. Auch die B-Seiten können das Level einigermaßen halten. „I Need Your Company“ erweist sich als Soul-Hatscher im klassischen Sinn, geeicht für das Ü40-Klammerblues-Revival, mit seinen schleppenden Drums überaus geschmackvoll gehalten. „Worry Walks Beside Me“ hingegen gibt sich dem Blues hin, nimmt das Tempo heraus und schwebt gen Woodstock.

„I’m Getting Ready“ hingegen orientiert sich stärker gen Singer/Songwriter, getragen von sanften, akustischen Gitarren-Klängen und Kiwanukas ebenso weicher Stimme, die eine gewisse Spur Soul mitbringt. Hier gibt sich der Brite eine Spur moderner, beinahe schon sonniger, ohne jedoch seinen Retro-Charme abzulegen. „I Need You By My Side“ hingegen entpuppt sich als bluesige Soulperle mit Stop & Go-Instrumentierung und bewegenden Ad libs, unterstützt durch vereinsamte Trompeter. Abschließend orientiert sich „Any Day Will Do Fine“ wieder ein wenig gen Post-Woodstock-Soundtrack, wobei vor allem der Kontrast zwischen E-Gitarre und Streichern fasziniert, gleichermaßen modern und doch leicht vergilbt klingt.

Auch wenn die beiden EPs ursprünglich innerhalb weniger Monate erschienen sind, lassen sich doch gewisse Unterschiede feststellen. „Tell Me A Tale“ arbeitet mit etwas längeren Songs (jenseits der Vier-Minuten-Marke), mehr Soul und sehr ursprünglichen Blues-Klängen der 50er und 60er Jahre. Auf „I’m Getting Ready“ hingegen regieren Kürze, Prägnanz und ein Hauch mehr Moderne. Kiwanuka fühlt sich in Blues, Soul, Folk und Singer/Songwriter gleichermaßen wohl, beweist sein hervorragendes Gespür für authentische Songs und legt mit seiner warmen Stimme Balsam auf die geschundenen Formatradio-Seelen. Man muss nicht erst auf die „Sound of 2012“- Top 5 warten, um den Briten als Versprechen für die Zukunft zu identifizieren.

4/5 | DL-Single
VÖ: 19.12.2011
Polydor Records (Universal Music)

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