Chäirwalk – Top 10
Gitarrenmusik mit deutschen Texten ist immer eine Gratwanderung. Was bei Indie Rock, Industrial und Crossover zumeist recht gut funktioniert, stößt in anderen Subgenres auf weniger Gegenliebe, auch wenn es immer wieder Lichtblicke gibt. Chäirwalk sind für Alternative Rock und Stonerklänge in etwa das, was Callejon mittlerweile für den Metalcore geworden sind: eine echte Alternative. Die drei Hamburger wandern bereits seit 15 Jahren um die Stühle, ihre Alben sind jedoch zumeist im Eigenregie-Sumpf untergegangen. „Top 10“ erscheint nun bei 141records mit der Empfehlung von zahlreichen Supportgigs mit ähnlich gelagerten Bands wie Mustasch, Pothead oder Hermano.
Die Riffs haben auf jeden Fall internationalen Standard. „Am Stück“ startet mit waschechter Helmet-Schlagseite, während Erik Hoeborn wie ein Besessener ins Mikrophon röhrt. Stimmlich top mit viel Dreck und Biss, nur versteht man hier die Texte freilich leichter, weswegen man sich natürlich keine Blöße geben kann – auf Albumlänge jedoch kein Problem, denn selbst die schrägen Lyrics der verdrogten Vorab-Single „Ich kotz gleich (feinstes Leder in beige)“ wirken angenehm unpeinlich. Eben jener Track punktet mit Queens Of The Stone Age-Wahnsinn, Düsternis in der Strophe und einem Hauch von Punk im Refrain. Anders gesagt: der perfekte Vorbote für eine Monsterplatte.
Chäirwalk laufen immer dann zu Hochform auf, wenn sie das Tempo ein wenig rausnehmen und sich treiben lassen, gerne auch mit Überlänge. In „Schmied“ tauchen sogar einzelne englischsprachige Zeilen auf, die perfekt zum eingängigen Zeitlupenrocker passen. „6 Richtungen“ wird trotz deutlich über neun Minuten Spielzeit und gedrungenem Tempo keineswegs langweilig. Im Gegenteil, so mancher Rhythmuswechsel und insbesondere die harten Gitarrenbreaks erinnern stark an Tool, während so manche Bridge klar macht, von wem sich GEIST aus Köln inspirieren haben lassen. „Federn“ baut auf diesem Wahnsinn auf, nur um im richtigen Moment gen Mustasch’schen Schweinerock abzuheben. Ungezwungener kann ein Refrain kaum abgehen.
Mit dem betont ruhigen, akustisch gehaltenen „Du fehlst“ kehrt finale Spannung ein. Die Luft knistert, Erik Hoeborn wirkt dem Wahnsinn nah. Es hat viel zu lange für Chäirwalk gedauert, um national und auch länderübergreifend an ein wenig mehr Bekanntheit zu gelangen. Mit 15 Jahren Bandgeschichte im Rücken fühlt sich „Top 10“ wie ein Kickstart an, wie ein Arschtritt gen Stoner-Landkarte, während man gleichzeitig die Routine der Hamburger in jeder Note spürt. Bratende Gitarren und deutsche Texte funktionieren, hier kommt bei 47 Minuten Spielzeit keine Langeweile auf. Kein Füllmaterial, kein überschüssiges Fett, keine Platituden – Chäirwalk setzen die Serie attraktiver 141records-Releases fort, liefern sogar deren vorläufigen Höhepunkt.
VÖ: 09.12.2011
141records (New Music Distribution)
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