Jennifer Rostock – Mit Haut und Haar
Indie oder doch Mainstream? Pop oder Punk? Rock oder Elektro? Jennifer Rostock sind vieles, aber sicherlich nicht einfach einzuordnen. Fest steht aber, dass die Berliner Band um Frontfrau Jennifer Weist ein beachtliches Tempo vorlegt. Unzählige Live-Gigs, immer größer werdende Publicity durch TV-Auftritte und nun das mittlerweile dritte Album im vierten Bandjahr. „Mit Haut und Haar“ heißt das neue Werk, das neben dem zweiten Auftritt beim diesjährigen „Bundesvision Song Contest“ ein weiteres großes Highlight in der noch relativ jungen Bandkarriere darstellen soll.
Die Mischung ist interessant und wohl so intensiv wie noch nie. Jennifer Rostock klingen 2011 vor allem deutlich elektronischer. Absehbar, dass macht halt jeder, sagen die einen. Die Band passt sich aktuellen Trends an. Mainstream Mitläufer statt Rock’n’Roll und Punk-Attitüde. Unsinn! Sagen die anderen. Jennifer Rostock war schon immer von zahlreichen Einflüssen geprägt, die sich von Zeit zu Zeit neu gewichten. Und in der Tat, der Ursprung und die Genrevorliebe der fünf einzelnen Bandmitglieder sind vielseitig. Von Pop, bis Hard-Rock über Elektro ist alles vertreten.
„Es war nicht alles schlecht“ etwa, zeigt Jennifer Rostock von der Seite, wie man sie am besten kennt. Laut und wild, dabei stets melodisch und lyrisch anspruchsvoll. Deutschrock mit tiefen Gitarrenriffs und Gastgeschrei von Nico, dem Sänger der Mathcore-Band „War From A Harlots Mouth“. Doch sehr viel mehr Rock bieten Jennifer Rostock auf ihrem dritten Longplayer nicht, einzig „Fuchsteufelswild“ und „Der Horizont“ schlagen in die gleiche Kerbe.
Ansonsten dominieren eher poppige Melodien, die mal mehr, mal weniger elektronisch aufpoliert wurden. Die eingängige Leadsingle „Mein Mikrofon“ ist hier ebenso hervorzuheben wie die Midtempo Nummer „Insekten Im Eis“, die besonders durch einen starken Refrain auftrumpft und eindeutig zu den Anspieltipps gehört. Auch „Der Kapitän“ macht Laune, weil das Tempo mitreißt und die gesellschaftskritischen Verse überzeugen.
Die kommende Singleauskopplung „Ich kann nicht mehr“ ist relativ balladesk. Der Song wird von Melancholie getragen, ist dadurch angenehm atmosphärisch und tiefgründig. Der Refrain ist gelungen und macht den Song dadurch zur guten Wahl für den diesjährigen Bundesvision Song Contest. Auch die zweite Ballade „Zwischen Laken und Lügen“ kann überzeugen. Kein Wunder, Emotionen und Gefühle standen Jennifer Rostock schon immer gut. Nicht zuletzt, weil Sängerin Jennifer Weist die Lyrics gut zu transportieren weiß.
Einen wirklichen Ausreißer gibt es auf „Mit Haut und Haaren“ ohnehin nicht. Die Scheibe ist gut im Fluss und trotz vieler Genreeinflüsse insich stimmig. Einzig „Meine bessere Hälfte“ sticht stärker heraus, im positiven Sinne allerdings. Das Arrangement und der Sprechgesang, gefolgt von einem fast trashigen Refrain lassen aufhorchen. Irgendwie ziemlich 80s und ein bisschen grotesk. Muss man dennoch lieb haben.
Viel zu kritisieren gibt es somit also nicht. Einzig die Instrumentalisierung hätte an der ein oder anderen Stelle stärker in den Vordergrund gestellt werden dürfen. Große Intros und längere Instrumental-Strecken hätten dem Longplayer noch etwas an Feinschliff verliehen. Die Lyrics sind hingegen gewohnt verspielt und wortstark, sehr bildlich, ohne dabei jedoch zu stark überzeichnet zu sein. Insgesamt liefern Jennifer Rostock ein überzeugendes Album, dass durchaus mit seinen Vorgängern mithalten kann und mit neuen Schwerpunkten gelungene Akzente setzt. Bei all dem Tempo der Berliner Band, bleibt die Qualität nicht auf der Strecke. Hut ab!
VÖ: 29.07.2011
Warner Bros. Records
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„Mein Mikrofon“ Video: