Death Cab For Cutie – Codes And Keys
Wie man ein Album aufnimmt, ist Glaubenssache. Während manche Bands ihre Songs live im Studio mit möglichst wenig Nachbearbeitung und Overdubs einspielen, lassen sich andere Zeit, arbeiten sich durch zahlreiche Sessions, nützen Orts- und gegebenenfalls sogar Personalwechsel für ein Montage-artiges Klangbild. Death Cab For Cutie (dank dem ‚Twilight‘-Soundtrack „Meet Me On The Equinox“ mittlerweile hierzulande sogar zu Singles-Chart-Ehren gekommen) kennen beide Varianten und haben sich für „Codes And Keys“ für die Montage entschieden. Der Erfolg – Top 50 in Deutschland, ein beeindruckender dritter Platz in der US-amerikanischen Heimat -gibt ihnen Recht.
Auch wenn diese Zahlen knapp hinter jenen des etappenweise überraschend proggigen Vorgängers „Narrow Stairs“ liegen, ist die Musik über jenen Zweifel erhaben. Über ein Dreivierteljahr hat sich das Quartett aus Bellingham, Washington hinter verschiedenen Studiotüren eingeschlossen und sich von Alan Moulder (Depeche Mode, Erasure, Placebo) ein fantastisches Album zusammenmischen lassen, das den schnöden Indie Pop in neue Dimensionen der Beateske, Dynamik und Grandeur führt – weiß man nicht erst seit der sympathischen Vorabsingle „You Are A Tourist“, die durch einen einzigartigen Live-Video-Shoot inszeniert wurde. Mehr noch, die überraschend scharfkantigen Gitarren ergänzen sich perfekt mit dem zarten Gesang und den geloopt wirkenden Drums – authentische Montage-Arbeit mit Herz und Hirn, wenn man so will.
Ihr Genie für weitläufige, ausladende Soundscapes mit verhältnismäßig schlichten Mitteln stellen die US-Amerikaner immer wieder unter Beweis. Der Titeltrack „Codes And Keys“ knüpft geringe Bande zu früheren Großtaten, entfaltet beinahe Arcade Fire’sche Magie und zeigt Kellermensch, wie Pop zu funktionieren hat. „Home Is A Fire“ wirkt wie ein ausgedehntes Intro mit Electro-Unterbau, von einem gar vertrackten Beat durchzogen. Die etwas progressive Ader der Death Cabs kommt im getriebenen „Doors Unlocked Are Open“ und dem irgendwo zwischen Post Rock, Shoegaze und Indielectro pendelnden „Unobstructed Views“ – zwei Geniestreiche jenseits irgendwelcher Konzepte oder Campus-Radio-Stationen.
Keine Sorge, liebe Indie-Fans: Hits haben Death Cab For Cutie immer noch zu bieten, wobei die angesprochenen Titel auf genialste Art und Weise montiert, ja beinahe entfremdet und kunstvoll arrangiert wurden. „Underneath The Sycamore“ mit seinem zarten Understatement wird man wohl ebenso öfter hören wie das charmante „Monday Morning“ und den bezaubernden Rausschmeißer „Stay Young, Go Dancing“. Verhältnismäßig konventionelles Material – ein Begriff, der mit großer Vorsicht zu genießen ist – gibt es erst in der zweiten Albumhälfte zu hören.
Der goldene Schnitt ist jedoch das Hauptwerkzeug auf „Codes And Keys“. Death Cab For Cutie distanzieren sich ein wenig vom eigenen Songwriting, indem sie es verfremden, mit beinahe Blakroc’scher Rhythmus-Dynamik versetzen und den zart, wohlweislich aber bestimmt mäandernden Klangteppich dem Festival-Hit gegenüber stellen. Ergebnis ist eines ihrer stärksten Alben, das in seiner Gesamtheit den Vorgänger „Narrow Stairs“ ganz locker in die Tasche steckt und kaum verstohlen gen „Transatlanticism“ schielt. Starke Sache von vorne bis hinten – ein trotz zeitdehnender Technik angenehm kompaktes und auf lange Sicht gesehen faszinierendes und ergiebiges Kunstwerk.
VÖ: 27.05.2011
Atlantic Records (Warner Music)
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