Interview mit Helloween-Bassist Markus Grosskopf

Helloween

Mit ihrem neuen Album „7 Sinners“ haben Helloween nach 25 zumeist sehr erfolgreichen Jahren Presse und Fans noch einmal absolut überrascht. So frisch, so energiegeladen klang die Band schon lange nicht mehr. Zeit also, der Band – vertreten durch Bassist Markus Grosskopf – mal auf den Zahn zu fühlen, wie es zu dieser genialen neuen Scheibe gekommen ist.

Euer neues Album ist nicht nur absolut genial, sondern auch ganz schön hart und heftig geworden. Habt ihr bewusst entschieden, nach dem ungewöhnlichen unmetallischen "Unarmed" mal wieder so richtig auf die Pauke zu hauen?

Das hat sich ganz automatisch ergeben. Wir hatten „Unarmed“ aufgenommen und anschließend erst mal eine etwas längere Pause eingelegt, da wir seit 20 Jahren immer nur den Rhythmus Platte-Tour-Platte-Tour kennen. Nach dem 25jährigen Bandjubiläum haben wir dann einfach drauflosgeschrieben, dabei hat sich dann auch automatisch eine Energie entfaltet (lacht), gerade weil wir davor nur akustische Töne angeschlagen hatten. Die Richtung stand schnell fest, nachdem die ersten Demos im Kasten waren. Es hat sich alles von selbst ergeben, und es war sehr schön, dass man da nicht erst drüber reden musste. Das ist wohl auch der Grund, warum die Platte so frisch klingt. Das Album ist also sozusagen das Ergebnis einer Eigendynamik, das ist das Besondere am neuen Werk.

Umso besser natürlich, wenn dabei dann derart geniales Album wie "7 Sinners" entsteht.

Eben, darüber haben wir uns auch sehr gefreut.

Generell sind die Reaktionen von Presse und Fans auf das Album extrem positiv und viele sind der Meinung, dass das Album zu den besten Helloween-Scheiben aller Zeiten gehört. Aber wie seht ihr selbst das eigentlich, findet ihr auch, dass ihr mit der neuen Platte ein Meisterwerk abgeliefert habt, das die letzten Alben bei Weitem übertrifft?

Wir hatten zwar schon früh gedacht, dass es dieses Mal etwas Großes werden könnte, weil sich alles so flüssig entwickelt hat, aber eigentlich merkt man so etwas erst später. Im Studio ist man da noch so dicht dran und kann das Album nicht als Ganzes sehen, sondern nur die einzelnen Elemente. Mit etwas Abstand betrachtet und als Ganzes gehört kamen wir dann aber auch darauf, dass da etwas Besonderes entstanden ist.

Die sieben Todsünden kennt ja jeder. Wer die sieben Sünder sind, ist ja im Booklet der CD ersichtlich, aber erklär den Hintergrund doch noch mal für alle, die das Album bisher noch nicht haben.

Das ist natürlich die Band aus fünf Leuten, dazu kommt noch der gute alte Kürbis, den wir ja schon seit Ewigkeiten dabei haben. Als Sünder Nummer Sieben kommt dann noch der Keeper von den „Keeper Of The 7 Keys“-Alben dazu.

Auffällig ist ja, dass ihr auch euren musikalischen Horizont erweitert habt. So hat mich der Titel "Long Live The King" an die härteren Songs von Judas Priest erinnert, während der sozialkritische Song "You Stupid Mankind" fast noch düsterer daherkommt als die komplette "The Dark Ride"-Scheibe. Der Impuls, sich neuen Wegen zu öffnen, ging wahrscheinlich von der ganzen Band aus, oder?

Ja genau, wie schon gesagt, kam es aus einem natürlichen Drang heraus, nach der „Unarmed“ mal wieder ordentlich loszulegen, ohne lange darüber sprechen zu müssen. Die letzte Show ist ja inzwischen auch schon zweieinhalb Jahre her und da war es schön, dass es sich unabhängig voneinander in eine ähnliche Richtung entwickelt hat und zu einer gemeinsamen Linie führt. Das ist auch nicht immer so, immerhin haben wir ja vier Songschreiber in der Band. Wir haben ja auch keine Berührungsängste mit anderen Stilen, manchmal driften wir ja auch ab vom typischen Metal. Es macht uns allen sehr viel Spaß zu experimentieren und es ist schön, dass wir das so machen dürfen, sonst würde es ja auch irgendwann langweilig werden.

Manche Passagen, wie z.B. die Blastbeats in "Are You Metal?" fand ich ziemlich überraschend. Hört ihr denn auch selbst gerne extremere Spielarten des Metals, so dass ihr dachtet, so etwas zumindest mal ansatzweise einfließen zu lassen?

Mitunter schon, eine Slayer-Scheibe zum Beispiel passt zu bestimmten Stimmungen auch ganz schön. Oder ich bin zum Beispiel ein großer Soilwork-Fan, meine Lieblingsscheibe in dieser Richtung ist „Figure Number Five“. Und da nimmt man dann beim komponieren auch schon mal das ein oder andere Element und packt es in einen Helloween-Song rein. Aber der gesamte Song klingt dann natürlich nicht nach denen, sondern immer noch nach Helloween, somit kopieren wir  ja auch nicht. Die anderen machen das natürlich auch so und dadurch bedingt wird unsere Musik natürlich auch sehr facettenreich. Ich zum Beispiel komme ursprünglich vom Punk, Weiki (Michael Weikath, Anm. d. Red.) ist dagegen eher der Evergreen-Fan in Richtung Beatles und von Andi Deris kommen auch modernere Einflüsse.

Zum Song "Are you Metal?" gibt es ja auch ein Musikvideo. Macht es in diesen Zeiten als Metalband überhaupt noch Sinn, Musikvideos aufzunehmen, die von den größeren Medien ja sowieso ignoriert werden?

In Deutschland ist das vielleicht nicht so lukrativ, aber es gibt ja auch noch Länder, wo die Situation etwas anders aussieht, zum Beispiel in Südamerika und Asien, aber auch Italien und Spanien. Dort wird einfach noch mehr Rockmusik gespielt, dementsprechend lohnt es sich auch noch, Musikvideos zu produzieren.

Das Video orientiert sich ja an Horrorfilm-Themen und hat mit dem Text des Liedes nicht unbedingt viel zu tun. Warum habt ihr euch für diese an "SAW" angelehnte Thematik entschieden?

Wir wollten einfach ein bisschen mit Klischees und Härte spielen. Es geht mehr um den Eindruck, den das Video vermittelt, der auch zur Musik passt, als um das, was im Video passiert. Dieser ganze Schmutz und Dreck und die Horrorfilm-Elemente soll einfach die Stimmung des Songs vermitteln.

Bei "Who Is Mr. Madman?" handelt es sich ja um eine Fortsetzung von "Perfect Gentleman". Nichts gegen den Song, ich mag ihn auch heute noch sehr gerne, doch wie kommt es, dass ihr gerade zu diesem Lied eine Fortsetzung aufgenommen habt?

Das war eine Idee von Sascha, die wir ganz witzig fanden. Der Perfect Gentleman ist ja quasi ein alter Kumpel von uns, eine der Gestalten, die wir immer wieder mal hervorholen können. Davon gibt es ja so einige, der Kürbis zum Beispiel, der begleitet uns ja schon seit Ewigkeiten, auch der Keeper kommt immer wieder durch. Und den Doktor Stein haben wir im neuen Video auch wieder mal mit eingebaut. Das sind alles Figuren, die sozusagen zur großen Helloween-Familie gehören und es ist immer wieder schön, sie hervorzuholen.

Das heißt, dass es durchaus möglich ist, dass es auch zu anderen Songs später mal Fortsetzungen geben wird?

Wenn einem von uns dazu eine spontane gute Idee kommt, dann auf jeden Fall. Bis auf die Keeper Nummer drei, die wir ganz bewusst gemacht haben, sind das ja ganz spontane Themen, also mal schauen, was da noch kommt.

Habt ihr einen persönlichen Favoriten auf der neuen Platte, sozusagen der Knaller des Albums?

Das ist im Moment noch eher schwer zu sagen. Im Moment sind wir sowieso am Rumwühlen, welche Titel vom Album wir live spielen wollen. Zur Zeit fällt die Auswahl noch sehr schwer, da wir die Songs ja noch nicht so oft gehört haben. Da hat momentan auch noch jeder seine eigenen Lieblinge.

Das Cover des neuen Albums ist sehr stilvoll ausgefallen. Schade ist nur, dass im Gegensatz zu den bisherigen Alben keine Lyrics im Booklet abgedruckt sind. War da einfach kein Platz mehr für übrig?

Wir weisen ja im Booklet darauf hin, wo die Texte zu finden sind. Ich gehe davon aus, dass jeder, der die Scheibe kauft oder besonders die, die sie (natürlich legal) runterladen, sich auch gleich die Texte im Internet runterladen können. Wir wollten die Bilder und das Artwork nicht mit ganz vielen Buchstaben verunstalten. Uns gefiel das Booklet so wie es jetzt ist am Besten. Außerdem ist das ja auch eine finanzielle Frage, das Booklet wäre sonst viel zu dick geworden. Daher haben wir uns für diesen Weg entschieden.

Die neue Platte erscheint bei Sony Music, dementsprechend seid ihr, neben der kurzen Phase bei der EMI, nun zum zweiten Mal bei einem Major Label untergekommen. Doch während die bei EMI veröffentlichten Alben damals sehr kommerziell ausgefallen waren, geht ihr dieses Mal in die Vollen. Heißt das, dass euch musikalisch alle Freiheiten gelassen werden und ihr ohne Kompromisse euer Ding umsetzen könnt?

Uns hat eigentlich musikalisch nie jemand reingeredet, das haben wir alles selbst so gemacht. Es ist sowieso immer sehr schwer, Erwartungen gerecht zu werden. Man kann nicht von vornherein sagen „so muss es werden“ und dann wird es auch so, das ist ja viel mehr eine Frage der Kreativität, die kommt nicht aus der Schublade. Und bei der Sony erleben wir das auch nicht so, keiner sagt uns hier „so und so soll es werden“. Wir haben denen die Demos vorgelegt und das war es. Und letzten Endes kann man auch nur so ein überzeugendes Ergebnis abliefern.

Nun noch eine kurze Frage zu eurem durchaus außergewöhnlichen Quasi-Best Of-Album "Unarmed – Best Of 25th Anniversary", dafür habt ihr ja stellenweise ganz schön Kritik einstecken müssen, da die teils sehr poppige Umsetzung der Bandklassiker vielen Fans zu kommerziell anmutete. Bereut ihr die Scheibe im Nachhinein?

Nein, zu der Scheibe stehen wir immer noch, schließlich haben wir auch schon mehrere Alben veröffentlicht, die fürchterlich Kritik ausgelöst haben. Man darf auch keine Angst haben, Experimente zu machen. Gerade weil wir diese Einstellung haben, gibt es natürlich Leute, die die Sachen mögen, und andere, die sie hassen. Das Schlimmste ist doch, davor Angst zu haben und zu versuchen, Jedem alles recht zu machen, denn dann geht es erst recht in die Hose. Man muss eben auch mal die Gefahr eingehen, dass es Leute geben wird, die das jeweils neue Album hassen werden, das muss einem dann auch egal sein. Mit Schiss inne Büx kriegste keine gute Platte hin (lacht).

Es klang ja vorhin auch schon so durch, dass die neue Platte ohne das "Unarmed"-Experiment vorher vielleicht gar nicht so hart und genial geworden wäre.

Vielleicht war es wirklich so, dass wir das gebraucht haben, um dann voller Elan die „7 Sinners“ aufzunehmen.

Ab Ende November geht ihr mit Stratovarius auf Tour. Kennt ihr die Finnen persönlich? Habt ihr guten Kontakt zu ihnen?

Zur Sommerzeit auf einigen Festivals haben wir die schon mal getroffen. Von Mai bis August sind wir ja hauptsächlich mit Festivals beschäftigt. Dabei trifft man dann natürlich auch auf andere Bands und trinkt vielleicht auch mal ein Bierchen zusammen. Auf dieser Basis kennen wir Stratovarius. Die Wahl fiel auch deswegen auf Stratovarius, weil sie einfach eine starke Band sind. Wir wollen ja eine starke Vorband, die uns selber ein bisschen kickt. Im Prinzip spielen sie auch nicht als Vorband, sondern bekommen eine gute Stunde für ihren Auftritt und sollen dann ordentlich für Stimmung sorgen, man sollte da eher von einem Special Guest sprechen. Ab und zu wird dann auch eine dritte Band dabei sein, die dann als eigentliche Support-Band auftritt.

Wer das ist, wird dann eine Überraschung sein?

Nein, wir haben einfach keine dritte Band gefunden, die ständig mitreist. Mitunter wird es Firewind sein, hier und da auch die Pretty Maids. Das wird sehr schön, alte Bekannte mal wieder zu treffen.

Eure neue Platte enthält ja derart viele gute Songs, dass eine Auswahl auf Tour sicherlich schwierig wird. Wie werdet ihr da den Schwerpunkt setzen, eine ausgewogene Mischung aus neuen Songs und Klassikern, oder wird der Schwerpunkt stark auf "7 Sinners" liegen?

Wir werden vier bis fünf Titel von der „7 Sinners“ spielen, der Rest setzt sich aus alten und mittelalten Titeln zusammen. Immerhin haben wir schon 13 beziehungsweise 14 Platten aufgenommen und bei der Auswahl der Titel wird es sicher auch wieder Kritiken regnen, wenn bestimmte Songs fehlen. Aber wir können auch keine vier Stunden lang spielen, zwei Stunden sind da einfach das Höchste der Gefühle. Schließlich machen wir das dann fast ein ganzes Jahr lang.

Letzte Frage und ein Blick in die Zukunft. Welche Pläne habt ihr nach 25 zumeist sehr erfolgreichen Jahren noch? Was dürfen wir in den nächsten 25 Jahren erwarten?

Noch mal 13 Platten mit hoffentlich der selben Qualität (lacht). Obwohl, wir werden in den nächsten 25 Jahren wohl eher einen Gang zurückschalten und vielleicht noch mal, sagen wir, vielleicht sechs gute Platten aufnehmen. Ich glaube nicht, dass ich mit 50 noch das selbe Tempo an den Tag legen kann, aber ich habe schon vor, weiterhin Qualität abzuliefern und gute Alben aufzunehmen. Die Energie dafür ist jedenfalls da, das sieht man ja an der aktuellen Scheibe.

Gut, damit sage ich vielen Dank für die Beantwortung der Fragen und wünsche euch einen großen Erfolg für das neue Album und viel Spaß auf der hoffentlich gut besuchten Tour!

Danke schön!

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