Letzte Instanz – Heilig
Bist du schuldig, sei geduldig. Mit Sicherheit ist das keine Maxime der Letzten Instanz. War ihr letztjähriges Album „Schuldig“ doch Inbegriff eines neuen, fokussierten Tatendrangs, dessen geheimnisvolle Anklageschrift sich weit weniger ethisch-moralischen Standards hingab, als die fantastische Tiefgründigkeit des eigenen Folk-Rocks zu beschwören. Durchstreifte man schon den mythologischen Beginn aller Schuldigkeit, war es ein Hinweis auf das, was jetzt in „Heilig“ seine konzeptionelle Fortsetzung erfahren soll.
Durch die bloße Verlautbarung gar einer Alben-Trilogie, ist den Dresdner Urgesteinen bereits ein aufregender Anstrich gelungen. Nur, was möchte man im zweiten Teil offenbaren? Bestach der Vorgänger durch seine Begabung und Begierde, gleichsam ein neues Kapitel der Letzten Instanz aufzuschlagen, so mag jener rote Faden jetzt fortgesponnen werden. Im Geiste heilig – „Sanctus“.
„Unsterblich“ eröffnet den Reigen. Binnen weniger Augenblicke lodert wieder das leidenschaftliche Feuer des ersten Teils. Durch krachende Gitarren befeuert, zieht Sänger Hollys kräftige Stimme den Hörer in seinen Bann. Bedrückte Violinenklänge schmücken den Rahmen. Auch in „Neue Helden“. Dabei ist dieser Song von ganz anderer Intention. So altbekannt sie auch sein mag, doch verliert man manchmal eben ’nur eine Schlacht, noch lange nicht den Krieg’. Worte gerichtet an eine ganze Generation. Satte Riffs untermauern den Vollgasteil auf Würde und Wahrhaftigkeit.
Die Intensität hält an, während zunehmend eine persönliche Bindung, ja der direkte Blickkontakt gesucht wird. Hier der Drang zum Leben, „Schau in mein Gesicht“, dort der dramatische Hang am Leben: „Atme!“ – es wird nicht erhört. Ein Meer aus Gedanken umgibt einen, da die guten oder jene zur Vergeltung. Das Tempo ist spürbar gedrosselt, es erklingt „Dein Gott“. Anfangs noch düster arrangiert, wird’s später fast hypnotisch, wie Hollys ungefilterte Lyrik zu Ohren dringt. Zweifelsohne ein starkes Element der Instanz’ler.
Auch ihr Gespür für eingängige Melodien zeigt sich. Einerseits im anschmiegsamen „Schlaf, Schlaf“, andererseits durch eine verkappte Hymne wie „Der letzte Tag“, die sicherlich das Potential zur Auskopplung hat. So schön das Gespür, so knapp ist leider das Feingefühl. Ein sentimentaler Zwischentitel würde jetzt Eindruck machen. Aber „Unsichtbar“, „Die Erhabene“ und später „Eismeer“ strapazieren weiter die Gitarrensaiten. Das Aufeinandertreffen mit dem Streicherorchester kommt gewohnt auf den Punkt. – Erst „Der Kuss“ taucht das Album für Augenblicke in ruhigere, melancholische Farben. Ehe mit der finalen „Winterträne“ eine wohltuende Rock-Ballade endlich das Weite der Welt umschließt.
Zugleich beschließt sie das neunte Studioalbum der Letzten Instanz. Obwohl dessen Titel gar eine Offenbarung ermöglicht hätte, belässt es das Septett bei einer stark krachenden bis eingängigen Intonation. Kurzum, man verzichtet auf ein abschließendes Credo, ohne an Intensität der selbst geschaffenen Brachialromantik zu verlieren. Strukturelles Potential verspricht der letzten Teil der Trilogie. War derweil bei „Schuldig“ noch unklar, ob man nicht doch auf unschuldig plädiert, so stellt sich die Frage bei „Heilig“ weniger. Unheilig sind ja schließlich schon andere. -Die Letzte Instanz bleibt sich treu. Und das hört sich gut an.
3,5/5 | Album | 01.10.
Columbia Records (Sony)
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