Interpol – Interpol
Eine Ende kann auch ein Anfang sein, zumindest bauen Interpol darauf. Bassist und Keyboarder Carlos Dengler hat zwar noch mit den New Yorkern und Produzent Alan Moulder (Nine Inch Nails, Smashing Pumpkins) das neue Album „Interpol“ geschrieben und aufgenommen, gehört aber mittlerweile nicht zum Lineup. Wie die Veteranen der Düsternis in Zukunft klingen ohne den ikonischen Mann mit dem Schnauzbart klingen werden, wird sich zeigen. Das gemeinsame ‚Requiem‘ sorgt jedenfalls für Gänsehaut.
„Interpol“ wurde in zwei Akte unterteilt, beginnt mit fünf typisch düster-romantischen Songs. „Success“ glänzt als Opener mit dem typisch markanten Dengler-Basslauf, einem sich schnell verdichtenden Arrangement und einem kühn auftrumpfenden Refrain zwischen Melancholie und Anti-Rockstartum. Das bereits bekannte „Lights“ setzt jedoch das erste Ausrufezeichen – fünfeinhalb Minuten Aufbauarbeit in minutiöser Perfektion, multiple Explosionen, kleine Spitzen über die komplette Spieldauer – die eingängigen Interpol ganz groß. Hier kann auch die etwas verquere Single „Barricade“ mit ihrer eigenartigen Gitarrenarbeit zu keiner Zeit mithalten.
Ab „Always Malaise (The Man I Am)“ driften Interpol in die experimentelle, atmosphärische Hälfte ihres selbstbetitelten vierten Albums. Beinahe ätherisch und kunstvoll schleichen die New Yorker durch vier schmerzhafte Minuten. Erst spät kriegt man die Kurve, während sich Paul Banks tapfer durchkämpft. Emotionen sind nun ein ganz großes Thema, vor allem wenn der Rausschmeißer „The Undoing“ den Trademark-Chauvinismus umkehrt – ungewohnte Verletzlichkeit und Selbstzerstörung. Denglers Bass, der beispielsweise im sympathisch verkopften „Safe Without“ noch eine zentrale Rolle gespielt hat, scheint komplett zu verschwinden – ein Abgang in Würde.
So jung kommen Interpol nicht mehr zusammen – die Magie des Originals bäumt sich auf „Interpol“ ein letztes Mal auf, schleppt sich durch zehn gewohnt eindrucksvolle Songs in gleich vielfachen Dimensionen (auftrumpfender Machismo, düstere Romantik, graduelle Selbstzerstörung). Was nach Denglers Abgang passiert, ist noch vollkommen offen. Banks und Konsorten können sich hoffentlich musikalisch finden und den Schmerz, den die ebenso gelungene zweite Seite ausstrahlt, ablegen. Schmerzhaft faszinierend.
VÖ: 03.09.2010
Soft Limit / Cooperative Music (Universal Music)
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