Eurovision Song Contest 2010: Vorschau (2)

Wie bereits in den vergangenen beiden Jahren gibt es auch dieses Mal Änderungen beim Abstimmungsmodell. So werden nicht nur im Finale, sondern bereits in den Halbfinals Jurys zum Einsatz kommen. Während die Zuschauer also über neun der Qualifikanten bestimmen, wird der zehnte Startplatz an einen potentiell erfolgreichen Beitrag vergeben, der sich nicht über das Voting qualifizieren konnte. Selbiges startet außerdem bereits ab dem ersten Act.

„Es ist nur logisch, dass man für den Song auch gleich anrufen kann, wenn man ihn im Fernsehen sieht“, erklärte Svante Stockselius, Generalsekretär des Song Contests. Nun liegt natürlich die Befürchtung nahe, dass die zuerst gehörten Songs einen entsprechenden Wettbewerbsvorteil haben. Diese wurden allerdings von der EBU (European Broadcasting Union) zerstreut. Studien hätten gezeigt, dass die ersten Songs nicht von dieser geänderten Regelung profitieren.

Betroffen ist natürlich auch das zweite Semifinale am 27. Mai. Beatblogger hört schon einmal hinein.

Schweiz

Beginnen wir mit der Schweiz. Jenes Nachbarland, das 1988 mit Céline Dion den Eurovision Song Contest gewann, aber nun seit drei Jahren auf eine Qualifikation für das Finale wartet. Dieses Mal tritt man an mit dem Sänger Michael von der Heide. Keinem unbekannten in Deutschland, denn 1999 partizipierte er beim Vorentscheid hierzulande. Auf seinem geschmeidigen „Il pleut de l’or“ liegen dieses Jahr die Schweizer Hoffnungen. Grüße gehen an Dumbo, den fliegenden Elefanten.

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Litauen

Überwiegend ernüchternd war das, was Litauen bei seinen zehn Teilnahmen bisher bot. Nur als sich LT United 2006 in „We Are The Winners“ selbst zum Sieger erklärten, fiel mal auf individuelle Weise auf. In dem damaligen nationalen Vorentscheid wurden die diesjährigen Vertreter InCulto schon einmal Zweite. Dieses Jahr gewann ihn das Quintett und reist mit „Eastern European Funk“ nach Oslo. Klingt anfangs vokal, avanciert mehr und mehr zur lockeren Ska-Nummer mit Ausdruckstanz und erschleicht sich irgendwie dann doch alle Sympathien. Funky!

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Israel

33 Teilnahmen, davon dreimal gewonnen und überhaupt ein verlässlicher Finalist. Israel ist ein gestandenes ESC-Land. Repräsentant dieses Jahres ist der 28jährige Sänger Harel Skaat und sein Titel „Milim“ (’Worte’). – Eine dreiminütige Hymne und finale Gänsehaut, brillant orchestriert mit Piano sowie Streichern, das ist der Rahmen einer herausragenden Gesangsleistung. Dafür braucht es keine weiteren Worte.

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Armenien

Die noch junge Geschichte Armeniens beim ESC-Finale liest sich sehr solide: Viermal dabei, viermal Top-10 mit dem besten Ergebnis eines vierten Platzes (2008). Um diese fortzusetzen, schickt man die junge Künstlerin Eva Rivas mit russisch-armenischer Abstammung nach Norwegen. „Apricot Stone“ ist ein ambitionierter Song. Erst im Zeichen von Klavier- und Gitarrensaiten, ehe ein tanzbarer Rhythmus einsetzt, der gesanglich eine herrliche Bühne bietet. Das etwas dünne Stimmchen der Sängerin weiß sie allerdings nur bedingt zu nutzen.

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Schweden

Mit den einst so ruhmreichen Schweden ging es zuletzt eher bergab. Was nur den reinen Ergebnissen entspricht, waren doch die musikalischen Beiträge stets hörens- wie sehenswert. Ganz der traditionell schwedischen Pop-Schiene verschrieben, erklingt der diesjährige Beitrag „This Is My Life“, gesungen von der achtzehnjährigen Anna Bergendahl. Die ehemalige Pop-Idol-Teilnehmerin ist eine niedliche Erscheinung, weiß allerdings stimmlich vehement zu beeindrucken. Anfangs zu ihrer Gitarre, dann mit einem effektiven Chor im Rücken, lässt sie die Stockholmer Sonne aufgehen. Damit ist Schweden strahlender Favorit.

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Ukraine

Ein Sieg mit Ruslanas „Wild Dances“, dazu zweimal die Silbermedaille sind bei sieben Teilnahmen der Ukraine ein guter Schnitt. Alyosha heißt die 2010er Hoffnungsträgerin. Um die es bereits im Vorfeld eine kleine Verwirrung gab. Denn der eigentlich vorgesehene Song „To Be Free“ ist bereits seit zwei Jahren zu erwerben. Ein Verstoß, den man nun mit „Sweet People“ begegnet. Vom Stil her ein Popsong mit Gitarren-Akzenten, deren opulentes Auftreten nicht ganz zu der eher sensiblen Stimme der Sängerin passen möchte. Für ein paar Mitleidspunkte wird aber es sicherlich langen.

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Dänemark

Zehn Jahre ist es jetzt her, dass Dänemark durch „Fly On The Wings Of Love“ zum Sieg getragen wurde. Dieses Jahr wird Deutschlands nördlicher Nachbar durch ein Duett vertreten. Chanée & N’Evergreen, das sind die dänisch-thailändische Sängerin Christina Chanée und ihr Gesangspartner Tomas N’evergreen, die mit dem gemeinsamen Song „In A Moment Like This“ den nationalen Dansk Melodi Grand Prix gewinnen konnten. Im Grunde ein wenig spektakulärer Popsong, der gefällig wirkt, aber höchstens aufgrund des persönlichen Charismas eine Chance aufs Finale zu haben scheint.

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Aserbaidschan

Aserbaidschan ist das Küken des Eurovision Song Contests. Erst seit 2008 mit dabei, errang man aber zuletzt den respektablen dritten Rang dank AySel & Arashs „Always“. Mit gerade einmal 17 Jahren ist Safura Alizadeh dieses Jahr ebenfalls die jüngste Teilnehmerin. Ihre Pop-Ballade „Drip Drop“ mit leichten R’n’B-Ansätzen verfügt zwar nicht über den Nachdruck des Vorjahresbeitrags, lässt Aserbaidschans Alizadeh dafür stimmlich umso mehr punkten.

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Georgien

Unwesentlich länger ist Georgiens Geschichte beim ESC. 2007 war man erstmals mit dabei. Der letztjährige Versuch, mit einem als Song getarnten politischen Statement anzutreten, beschmutzte allerdings die weiße Weste. Ganz unschuldig gibt man sich nun mit „Shine“, vorgetragen von der Sängerin und Schauspielerin Sopho Nizharadze (nicht zu verwechseln mit Sopho Chalwaschi aus dem Debütjahr). Auch hier soll es eine gefühlvolle Ballade richten. Gesanglich brillant, ansonsten wenig markant.

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Türkei

Im 32. Jahr der türkischen Eurovisionsteilnahme ist ein stolzer Blick zurück erlaubt. Zumindest nach Ergebnissen traf man überwiegend den Puls der Zeit, darunter die siegreiche Sertab Erener 2003. Dieses Jahr wagt man sich auf ungewohntes Terrain. Nicht der gewohnte rhythmische Tanz, sondern Gitarren und Keyboard untermauerten Crossover gibt es zu belauschen. Die fünfköpfige Band maNga tritt an mit „We Could Be The Same“. Natürlich recht populär getrimmt, könnte sie durchaus für eine Überraschung sorgen.

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Irland

Kein Land konnte den Song Contest so häufig gewinnen wie Irland. Sieben Siege seit 1965. Nichtsdestotrotz war auch für die Iren die Qualifikation zuletzt kein Selbstläufer. Ihre diesjährige Vertreterin Niamh Kavanagh nimmt allerdings nicht zum ersten Mal am Wettbewerb teil. 1993 gewann sie ihn bereits einmal. Mit glasklarer Stimme und der Sonne im Herzen erklingt „It’s For You“. Das balladeske Popstück, teils vierstimmig intoniert, ist eigentlich eine Wucht. Zwar hätte die traditionelle irische Flöte mehr Prominenz verdient gehabt, aber in Europas Gunst wird es Irland ohnehin nicht mehr so leicht haben, wie einst am Anfang der Neunziger.

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Slowenien

Gerade einmal viermal gelang der Sprung ins Finale – das ist die wenig berauschende Bilanz Sloweniens im neuen Jahrtausend. Bedeutet aber auch, viel Luft nach oben. Dorthin streben Roka Žlindre & Kalamari, einem slowenischen Sänger und seiner Band, die allerdings nichts mit Tintenfischen zu tun haben. „Narodnozabavni Rock“ lautet der gemeinsame Titel, einer Kreuzung aus eher volkstümlichem Akkordeonspiel mit weiblichem Gesang und rotzigem Rock von maskuliner Machart. Klingt schwer verdaulich und das ist es auch.

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Niederlande

Längst vergessen sind die vier Siege bei unseren niederländischen Lieblingsnachbarn, was nicht wundert, war doch der bisher letzte 1975. Denn was macht ganz Holland beim Eurovision Song Contest? Richtig, zuschauen. Zumindest seit 2005, denn seitdem hat es mit der Qualifikation nicht mehr hingehauen. Nach De(n) Troopers Opas im vergangenen Jahr, schickt man nun junges Blut nach Norwegen. Sängerin Sieneke singt „Ik ben verliefd (Sha-la-lie)“. Das ist volkstümliches Liedgut zum Schunkeln, einfach mitzusingen und im Grunde ein netter Einheizer. Allerdings erst ab einer bestimmten Promillegrenze, die im teuren Oslo so erst einmal nicht zu erwarten ist. Schalalalaa!

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Bulgarien

Fünf Teilnahmen, davon eine am Finale 2007, wo prompt der fünfte Platz belegt wurde. Bulgariens Beiträge stießen nicht immer auf viel Resonanz. Miroslav Kostadinov soll dies ändern. Er tritt mit dem selbst komponierten Stück „Angel Si Ti“ an. Stimmgewaltig, keine Frage. Ansonsten bietet sein Uptempo-Popsong jedoch wenig Substanz. Vor allem dessen schwacher Refrain könnte die Leidenszeit seines Landes fortsetzen.

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Kroatien

Kroatiens Bilanz ist durchwachsen. Immerhin zweimal Vierter war man als unabhängiges Land. Ganz unabhängig davon am Start sind Femminem. War da nicht was? Genau, diese dreiköpfige Mädchengruppe war bereits vor fünf Jahren für Bosnien und Herzegowina angetreten. „Lako Je Sve“ lautet ihr kroatischer Titel für Oslo. Den optischen Wert des Auftritts einmal mit einkalkuliert, sollte er die nötigen Punkte fürs Finale einbringen. Ansonsten ist er elektronisch-getragen, locker durchtanzt, annehmbar unscheinbar.

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Zypern

Fünf Jahre ist es her, dass Zypern zuletzt in einem ESC-Finale stand. Ein Loblied auf den Frühling möge das ändern. Denn das singen der walisische Sänger Jon Lilygreen & The Islanders, eine zypriotische Band, mit „Life Looks Better In Spring“. Lagerfeuer-Gitarre, untermalender Chor und ein typischer Songwriter am Mikrophon. Eigentlich durchaus eindrücklich, aber wenig Nachdrückliches aus Zypern.

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Rumänien

Zum zwölften Mal wird Rumänien bei einem Eurovision Song Contest dabei sein. Vertreten durch Paula Seling und Ovidiu Cernauteanu alias Ovi lautet das Motto: „Playing With Fire“. Neben dem Spiel mit dem Feuer, spielt man sich dabei immer wieder effektiv den Ball zu. Kein Duett im klassischen Sinn, sondern modern, als Piano-Battle, leicht verzerrt und elektronisch umgarnt. Vor allem der fruchtbar intonierte Chorus weckt Sympathien. Die Jeans von Komponist Ovi zwar weniger, aber fürs Finale wird er schon noch etwa Schickes finden.

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Nächste Woche folgt Vorschau (3) auf die direkt qualifizierten Länder beim Eurovision Song Contest 2010 in Oslo.

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