Alice In Chains – Black Gives Way To Blue
Eine Sensation. Eine Urgewalt. Ein unerwarteter Lichtblick. Nach dem Tod Layne Stayleys 2002 schien die Karriere von Alice In Chains – ihr letztes Album hatten sie bereits 1995 aufgenommen, bevor sich der Sänger von der Außenwelt abnabelte – beendet zu sein. Dann aber die überraschende Tour mit Neuzugang William DuVall und die sensationelle Ankündigung eines neuen Albums. Haben Alice In Chains ohne Stayley überhaupt eine Daseinsberechtigung?
Jegliche Zweifel sind berechtigt, doch die Comeback-Platte „Black Gives Way To Blue“ (nach 14jähriger Abstinenz) lässt selbige erst gar nicht aufkommen. Mehr noch, es ist ein unheimlich erfrischendes Lebenszeichen beinahe vergessener Helden. Zunächst sei festzuhalten, dass DuVall kein bloßer Stayley-Imitator ist, auch wenn er – gemeinsam mit Jerry Cantrell deutliche Parallelen zu den 90ern erkennen lässt. Beim Songwriting scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Von Grunge hört man zwar nichts mehr, dafür gibt es druckvollen Rock mit der gelegentlichen Stoner- und Doom-Note.
Und dann sind da die Hits, elf Stück an der Zahl. All killer, no filler. „All Secrets Known“ ist ein zäher, dennoch lohnenswerter Einstieg, ein martialischer Aufmarsch der Emotionen. Plötzlich ist alles wieder da, was man anderthalb Jahrzehnte vergessen glaubte. Die aktuelle Single „Check My Brain“ – ein Lied über Cantrells Umzug von Seattle nach Los Angeles 2004 – setzt noch einen drauf. Was für ein Riff, was für ein Refrain, was für eine Hook!
Besonders gelungen sind ebenfalls die beiden Siebenminüter „Acid Bubble“ mit seiner leicht psychotischen Tool-Note und das finstere, etappenweise trostlose „A Looking In View“. Letzteres hat das Zeug zu einem Klassiker. Aber auch vergleichsweise eingängige Nummern wie „Take Her Out“ und die semi-akustische Ballade „When The Sun Rose Again“ passen sich problemlos in das Gesamtbild ein. Bewegend wird es zum Abschluss. Der Titeltrack „Black Gives Way To Blue“ – gesungen von Jerry Cantrell – ist Layne Stayley gewidmet, wurde mit gelegentlich aufheulender Gitarre und Pianoklängen von Elton John (!) beeindruckend in Szene gesetzt. Gänsehaut, feuchte Augen, schweres Herz – ein Kapitel wird geschlossen.
Es hätte alles schief gehen können, doch „Black Gives Way To Blue“ übertrifft alle Erwartungen. DuVall passt perfekt zu Alice In Chains, die eine Vielzahl eindrucksvoller Riffs und majestätischer Arrangements scheinbar problemlos aus dem Ärmel schütteln, dabei Vergangenheit, Gegenwart und mögliche Zukunft der Band in Einklang bringen. Hoffentlich nicht der Schlussakt einer bewegten Bandgeschichte, sondern der Aufbruch zu neuen Ufern. R.I.P. Layne Stayley.
VÖ: 25.09.2009
Virgin Records (EMI Music)
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