2raumwohnung – Lasso
2raumwohnung sind zurück. Das Berliner Popduo um die ehemalige Neonbabies-Sängerin Inga Humpe und dem Musiker Tommi Eckart, hat seit ihrer Gründung im Jahr 2000 ständig für frischen Wind in der deutschen Pop-Szene gesorgt. Und auch wenn die ganz großen Hits noch fehlen, haben Songs wie „Ich und Elaine“, „Spiel mit“ oder das noch recht junge „36 Grad“ nicht nur bei ihren Fans längst Kultstatus. Aktuell steht das mittlerweile schon vierte Studioalbum von 2raumwohnung in den Plattenläden. „Lasso“ heißt das 13 Songs umfassende Werk, auf dem in gewohnter Manier, lässige Leichtigkeit auf melancholisches Seelenspiel trifft.
2raumwohnung machen was sie wollen. Das derzeit Angesagte interessiert sie nicht, viel lieber gehen sie eigene Wege. Experimentierfreudig, frei nach Berliner Schnauze, angstfrei infantil und im nächsten Augenblick doch wieder bodenständig, leise und zurückhaltend. Wer sich auf „Lasso“ einlässt, muss zunächst einmal durchhalten können. Viele der Songs wissen anzuecken, klingen zunächst befremdlich – ja und dann ist da ja noch Sängerin Inga Humpe, deren Stimmlage nicht jeden Gehörgang auf Anhieb streichelt. Doch irgendwann kommt der Zeitpunkt, da hat einen das Lasso gefangen. Es zieht sich zu und von nun an gibt es kein entkommen mehr. Entkommen will man zu diesem Zeitpunkt schon eh nicht mehr, der Zugang zum „futuristischen 70er Jahre“ Stil – wie ihn das Duo selbst bezeichnet – ist gefunden. „Wir werden sehen“ tanzt sich mit seiner Leichtigkeit ins Ohr, setzt sich mit seiner äußerst melodischen Hookline dort fest und wurde zu Recht als Leadsingle ausgewählt. Moderne, frische Pop-Musik, eigenhändig produziert wie überhaupt das ganze Album. „Der letzte Abend auf der Welt“ klingt wie ein großer bunter Kindergeburtstag. Mit Pauken und Trompeten macht der rhythmische Song auf sich aufmerksam. „Überall rein“ spielt hingegen mit Gegensätzen. Da sind die zurückhaltenden Strophen auf der einen Seite und der rockig lärmende Refrain auf der anderen. 2raumwohnung stolpern mit Chaos in den Alltag.
„Und ich dreh“ verzaubert mit einem charmant getexteten Refrain, im Gegenteil zum befremdlichen „Body Is Boss“, dessen Verse zu abgedreht und ein Spur zu aufgesetzt klingen. Musikalisch zweifelsfrei recht interessant, dennoch schwer zugänglich. Und doch erinnert man sich schnell an den Song, ob man nun will oder nicht. Einen echten Anspieltipp lässt sich mit „Was ist das“ ausmachen. Orientalische Klänge verzaubern, Melancholie liegt in der Luft, wunderbar transportiert von Inga Humpe. Sehr einfach gehalten, dennoch stilvoll effektiv. Es geht um die Liebe, ein großes Thema, dass hier zunächst doch erst einmal entschlüsselt werden muss. Zurück zur Leichtigkeit geht es mit „Rette mich später“. Nett anzuhören, zu jedem Anlass als Hintergrundmusik geeignet. In den Vordergrund spielt es sich dabei nicht. Ob das gewollt ist? Vielleicht. Vielleicht ist die Hookline aber auch einfach zu schwach ausgefallen. Ein Manko und leider kein Einzelfall auf „Lasso“. Der große Hit fehlt noch, leider kommt er auch nicht mehr.
Der Titeltrack „Lasso“ dudelt etwas uninspiriert vor sich hin. Lyrisch verworren, zu schwach um das Entschlüsseln der Verse beginnen zu wollen. „Mosaik“ überzeugt mit seinem Groove und beim philosophischen Text darf man auch gern einmal etwas genauer lauschen. Der Ausklang des Albums gefällt hingegen eher weniger. In „Wenn du bei mir liegst“ fehlt das gewisse etwas. Für eine Ballade zu träge, für große Gefühle zu langweilig. Doch immer noch angenehmer als „Angel Of Germany“, dass irgendwo zwischen Chanson, Schlager und groben Kitsch schwingt. Wer möchte darf hier fleißig mitschunkeln. Man darf es aber auch lassen.
Schade, ein paar Ausreißer nach unten sind mit dabei. Doch die sind bereits genannt und „Lasso“ hat es dennoch verdient mit wohlwollenden Worten verabschiedet zu werden. Zwei Titel sind ja auch noch unerwähnt. Durchaus Anspieltipps. Das locker fröhliche „Vielleicht im nächsten Leben“, das einzig mit der etwas zu hoch angesetzten Stimmlage im Refrain zu kämpfen hat. Der Song präsentiert die positive, sonnige Seite des Albums, während „Alles aus“ die Gegenrichtung einschlägt. Wunderschön melancholisch, tiefsinnig, atmosphärisch. „Der Fluss hört kurz auf zu fließen, Soldaten hören kurz auf zu schießen, Eltern hören kurz auf zu schlagen, der Nachrichtensprecher hat kurz nichts zu sagen, alles aus“ – mit die schönsten Momente des Albums. Genau hier zieht sich das Lasso zu, der Alltag wird einen kurzen Augenblick ausgeblendet, der einzig wichtige Ort ist jetzt die 2raumwohnung. Solche Momente hätte „Lasso“ öfters bieten dürfen. Aber vielleicht tut es das ja auch? 2raumwohnung machen schließlich keine Allerwelts-Popmusik. Hier können sich noch Dinge entwickeln, hier gibt es noch mehr zu entdecken. Durchhaltevermögen ist das Stichwort. Ob es belohnt wird? „Wird werden sehn, wir werden sehn“.
31.07.2009
EMI